Kleintransporter: Ein Problem für den Gütertransport?

(Bild: Sebastian Nagel)

Hohe Unfallquote, unfairer Wettbewerb, Verzerrung des Marktes, stimmt das?

In diesem Blogartikel beschäftigen wir uns mit der Frage, ob Kleintransporter unserem Gütertransport schaden.

Es gibt einige Vorwürfe, die gegen Transporter bis zu 3,5 Tonnen erhoben werden. Eine Menge Hass und Wut entlädt sich über deren Häuptern. Wir gucken uns die Anklagepunkte an. Hohe Unfallquote, Verzerrung des Wettbewerbs. Wo liegt das Problem? Sind die Vorwürfe gerechtfertigt?

Keine Maut, keine Lenk- und Ruhezeiten, schlafen, wo sie wollen. Wieso gelten für Kleintransporter andere Gesetze? Was hat das Mobilitätspaket verändert?

Wir wollen wissen, wie die Meinung der LKW-Fahrer zu diesem Thema ist.

Ist es am Ende vielleicht sogar ein Thema, über das sich grundlos aufgeregt wird?  Das erfährst du in diesem Blog.

Ab in die Polster und Vollgas!

 

Grundlegendes zu Kleintransportern

Bis zu einem Gewicht von 3,5 Tonnen spricht man von Kleintransportern. Sie können Frachten von 0,5 – 1,5 Tonnen transportieren. Über dem Führerhaus gibt es eine winzige Schlafkabine, der Größe eines Kapselhotelzimmers in Tokio. 

Ein gewöhnlicher Führerschein der Klasse B reicht zum Fahren eines Kleintransporters aus. Kein Problem. Bei allen anderen Berufen, in denen es um gewerbsmäßiges Fahren geht, braucht man eine besondere Schulung, gesundheitliche Nachweise oder Führerscheine. Bei der Personenbeförderung sind die Vorgaben sehr streng. Bei Kleintransportern bleibt das aus.

Kleintransporter werden so ziemlich überall eingesetzt. Einige Fuhrparks verfügen auch über eine Kleintransporterflotte. Es gibt Ladungen, die sind zu mickrig für einen LKW. Es gibt Orte, die sind für einen ausgewachsenen LKW schwierig zu erreichen. Innenstädte oder abgelegene, kurvige Landstraßen. Sie werden von Handwerkern und Umzugsunternehmen genutzt. Es gibt eine absolut sinnvolle und notwendige Nutzung von Kleintransportern. Um die geht es nicht in diesem Blog. Und wenn im weiteren Verlauf von “Kleintransportern” die Rede ist, sind die oben genannten davon ausgeschlossen.

Es geht hier um Kleintransporter-Fahrer, die mit lächerlich niedrigen Preisen den gesamten Markt unterbieten. Diese Fahrer sind meist nirgendwo angestellt. Sie ergattern sich Aufträge auf einer Internetseite, wo sie sich gegenseitig unterbieten, bis von einem Gewinn kaum noch etwas zu sehen ist. Das erfahren wir in einer ZDF-Doku über dieses Thema.

Das Verheerende an diesem System ist, dass die Fahrer nur für die gefahrenen Kilometer bezahlt werden. Das begünstige zwei Dinge: Die Fahrer fahren zu jeder Zeit. Ob erschöpft, übermüdet oder krank. Denn sonst verdienen sie kein Geld. Sonst warten sie auf den Rasthöfen auf neue Aufträge. Zweitens fahren sie schneller und möglichst viele Kilometer. Klar, wenn sie nur für gefahrene Kilometer bezahlt werden, verdienen sie mehr, wenn sie schneller fahren. Ich denke, angesichts dieser Logik kann man ihnen keinen großen Vorwurf machen.

Noch gibt es keine Lenk- und Ruhezeiten für Kleintransporter. Vielleicht könnten die etwas mehr Ruhe da reinbringen.

Obwohl es sich bei Kleintransportern auch um einen rein gewerblichen Transport handelt, müssen sie keine Maut bezahlen. Hier ist es allein der Mangel an Größe, der sie davon befreit. Für sie gelten auch nicht die Park- und Schlafverbote in Wohngebieten, die jeder LKW-Fahrer kennt. Mit einem Kleintransporter kann man sich problemlos in ein Wohnviertel stellen, dort parken und schlafen.

Im Folgenden gucken wir uns an, was durch die unterschiedliche Ausgangslage für Probleme entstehen und welche Vorwürfe den Kleintransportern gemacht werden.

 

Kleintransporter auf der Strafbank: Die Anklagepunkte

Ein wesentlicher Anklagepunkt ist der, dass die Unfallgefahr steige. Das wird oft kritisiert und durch eine sehr fokussierte Berichterstattung der Medien noch aufgebläht.

Man wirft ihnen vor, den Wettbewerbsmarkt zu verzerren. Durch Dumpingpreise seien andere Speditionsunternehmen nicht mehr konkurrenzfähig.

Sie haben einen unfairen Wettbewerbsvorteil, da sie weniger Abgaben und weniger Vorgaben haben, an die sie sich halten müssen und die sie ausbremsen.

Es sei überdies unsinnig fürs Klima, sagt der BGL-Vorsitzende Prof. Dr. Dirk Engelhardt, veröffentlicht bei der BGL. Denn wenn Kleintransporter die Ladung eines LKWs übernehmen, bedeutet das einen höheren CO² Ausstoß. Ein Kleintransporter lädt maximal 1,5 Tonnen, ein LKW dagegen 12-13 Tonnen. 40-Tonner können 25 Tonnen zuladen. Ich konnte leider keinen verlässlichen CO²-Emissionsmesser finden, um die Werte anschaulicher nebeneinander zu stellen. Wenn Kleintransporter die Ware eines normalen LKWs ersetzen, bräuchte man bei 12 Tonnen bereits 8 Kleintransporter. Bei der Fracht eines 40-Tonners sind es immerhin schon 16 Kleintransporter, die anstelle eines LKWs fahren müssten. Ich denke, da braucht man gar keinen CO²-Emissionsmesser, um zu sehen, dass Dirk Engelhardt Recht hat.

Das sind die Anklagepunkte, die Kleintransporter gemacht werden. Wir schauen uns an, ob sie zutreffen. Vielleicht sind die Schuldigen ganz woanders zu orten. Vielleicht tragen sie Schlips und Kragen und haben ein Führerhaus noch nie von innen gesehen.

Vorher schauen wir uns aber noch einige Meinungen vom Fach an. Was denken LKW-Fahrer über diese Situation?

 

Was denken LKW-Fahrer über Kleintransporter?

Zweifellos setzen Kleintransporter im Gütergewerbe eine Menge Emotionen frei. Auch viel Wut. Im Costa-Blanca-Forum finden wir einige Beiträge.

„Die größte Sauerei, die es gibt im Transportgewerbe. Ich hasse diese Dinger. Da werden Mindestlöhne, Lenk- und Ruhezeiten, Sonntagsfahrverbote mal ganz locker ausgehebelt.” sagt ein Fahrer.

Sein Hass trifft natürlich die Falschen. Aber dass er die ungleiche Wettbewerbs-Ausgangslage als „Sauerei” empfindet, kann man nachvollziehen.

Eine geistreiche Analyse der Politiker bekommen wir von einem anderen Fahrer: „Aber ich vergass, dass die Politiker […] der lebende Beweis dafür sind, dass der Gehirntod nicht unbedingt das Ende des Lebens bedeutet.”

Ein schönes Resümee einer ereignisreichen Zeit liefert ein weiterer Fahrer: „Für solche Jobs finden sich immer arme Schweine, nicht nur Osteuropäer. Dass ich damals trotz permanenter Übermüdung unfallfrei blieb, dafür danke ich noch heute dem Allmächtigen. War trotzdem eine schöne Zeit.”

In dieser permanenten Bereitschaft zu fahren, notfalls auch völlig übermüdet, liegt eine Menge Unfallpotential. Doch es gibt immer Menschen, die das Geld so bitter nötig haben und genauso gibt es welche, die diese Notlage ausnutzen.

Ein weiterer Fahrer aus dem Forum Transportunternehmen sagt: „Gewerblicher Transport ist Gewerblicher Transport. Egal, ob er mit Handkarren oder Tuk Tuk durchgeführt wird.”

Die meisten scheinen sich in diesen Foren sehr einig zu sein: Die Situation ist Mist. Gleiche Pflichten und Rechte für alle. Da ist es immer wieder spannend, wie sehr die Meinung der Politiker von der Volksmeinung abweicht.

 

Mobilitätspaket I

Ziel des Mobilitätspaketes I war es, mehr Sicherheit, Soziaverantwortlichkeit und Effizienz auf den Markt zu bringen, informiert der BMDV. Am 21. Februar 2022 traten die Vorgaben in Kraft.

Es gibt eine Rückkehrpflicht nach 8 Wochen für deutsche Unternehmen. Das heißt, nach dieser Zeit muss man dahin zurückkehren können, wo man wohnt. Gilt allerdings nur für LKW-Fahrer. Für das sogenannte Nomadenleben der Kleintransporter-Fahrer gibt es dadurch keine Veränderung.

Lenk- und Ruhezeiten werden für leichte Nutzfahrzeuge, sprich, deren Gewicht unter 3,5 Tonnen bleibt, ab dem Jahr 2026 erst verpflichtend sein. Erst dann werden sie mit einbezogen. Warum das noch so lange dauert, steht dort nicht.

Maut gilt weiterhin nur für LKWs ab 7 Tonnen. Es war mal im Gespräch, wurde aber mit dem schlappen Argument abgelehnt, man möchte den Handwerkern nicht schaden. Eine Maut generell für gewerbsmäßige Lieferungen zu erlassen, war scheinbar zu kompliziert.

Auf der Seite Europäisches Parlament steht zwar, dass auch Transporter ab 2,5 Tonnen den EU-Normen für Transportunternehmen unterworfen sind und sie auch Fahrtenschreiber benutzen müssen. Stimmt das denn? Wenn wir uns die Ergebnisse des Mobilitätspaketes anschauen, scheint das zweifelhaft. Der Bussgeldkatalog.org sagt hingegen, dass Fahrtenschreiber erst ab 3,5 Tonnen Pflicht sind. (Letzte Aktualisierung der Seite (11. Februar 2023).

 

Ist das Unfallrisiko von Kleintransportern höher?

Die UDV sagt: Nein. Es fahren mehr Kleintransporter, daher gibt es auch mehr Unfälle. Das ist ganz natürlich. Prozentual gesehen, gehen die Unfälle zurück. Die Unfallquote der Autos ist wesentlich höher.

Was den Kleintransportern also an Sicherheitsfahrtraining fehlen mag, scheinen sie durch Erfahrung und schlichtes kontinuierliches Fahren wettzumachen. Wie kommen wir aber zu dem Eindruck, dass Kleintransporter so viele Unfälle verursachen?

Die Welt sagt, dass das wohl viel mit der Wahrnehmung zu tun hat. Drängelnde Paketdienste und Handwerker kennt jeder. Das macht der Zeitdruck. Ereignisse von schweren Unfällen von Kleintransportern werden sehr gerne von den Medien aufgenommen. Da sind sie sehr freigiebig mit lockeren Vorwürfen.

Natürlich sind solche Unfälle schlimm. Wir haben in einem anderen Blog Trunkenheit am Steuer schon darüber berichtet. Trotzdem müssen wir uns fragen, ob auf allen Verkehrsteilnehmern ein gleicher Fokus liegt. Wahrscheinlich nicht.

Dennoch besteht kein Zweifel, dass ein Frontalzusammenstoß eines Kleintransporters mit einem Auto schlimme Folgen hat. Denn jener schlägt beim Auto in der sogenannten Verformungszone ein. Das endet meist tödlich. Gefährlich sind Unfälle mit Kleintransportern. Manche Politiker plädieren für die Ausrüstung der Kleintransporter mit Assistenzsystemen. Durchgesetzt hat sich das jedoch nicht.

 

Verzerren Kleintransporter den Markt?

Es gibt sicher Situationen, da ist es sinnvoller, einen Kleintransporter zu engagieren. Wenn die Lieferung klein ist, zum Beispiel. Wenn es schnell gehen muss. Man kann dann nicht erst warten, bis der Rest des LKWs voll ist. Wenn die Lieferungen aber zu lang sind, runter bis nach Spanien gehen, wäre es vielleicht sinnvoller, sie mit anderen Sachen zusammen in einen LKW zu packen.

Die FAZ weiß in einem Beitrag zu berichten, dass viele Paketdienste auf ausländische Kleintransporter zurückgreifen müssen, da der Bedarf an Paketen so enorm ist.

Es gibt einen großen Mangel an Fahrern und die Paketdichte steigt weiter. Man muss auf Kleintransporter zurückgreifen. So ist die Situation. Es bringt aber wenig, den einen Markt zu stützen (Verbrauch) und den anderen (Gütertransport) verkümmern zu lassen. Wenn in letzterem die Gehälter weiter sinken, sind bald immer weniger Fahrer dazu bereit, die anspruchsvolle Ausbildung des Berufskraftfahrers anzutreten.

Die Preise, die für manche Fahrten verlangt werden, sind absurd gering, keine Frage. Einen so niedrigen Preis kann es nur geben, weil Kleintransporter bisweilen von sämtlichen Regeln befreit sind, die LKWs eine Menge kosten. Das und die rücksichtslose Ausbeutung zumeist ausländischer Fahrer schaffen solche Dumpingpreise erst.

 

Ist der erhöhte Bedarf an Kleintransporter schlecht fürs Klima?

Der Verbrauch von Gütern wächst generell. Es fehlen viele Fahrer, darüber haben wir in einem anderen Blog bereits geschrieben: Jobs im Gütertransport. Es fehlen allein 56 000 Fahrer. Wenn Kleintransporter diesen Mangel auffangen können, ist das eine gute Unterstützung.

Natürlich steigt die Belastung fürs Klima. Das liegt aber nicht allein an den Kleintransportern. Der Warenkonsum generell steigt. Versandhäuser wachsen stetig. Wahrscheinlich würde das alles ohne Kleintransporter gar nicht mehr zu bewältigen sein.

Die Reduzierung der Kleintransporter wäre ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ein Tropfen, der uns einen Teil unseres Komforts kosten würde. Es bedarf viel grundlegenderer Strategien, um die hohen CO²-Emissionen in den Griff zu bekommen.

 

Fazit

Einen Großteil der Anklagepunkte konnten wir entkräften. Die, die bleiben, sind weder den Fahrern zu machen noch dem Gefährt selbst. Der Kleintransporter bleibt ein nützliches und unverzichtbares Mittel im Gütertransport.

Wir brauchen Kleintransporter. Aber noch dringender brauchen wir Regeln, die LKWs und Kleintransporter unterstützend nebeneinander wirken lassen. Die beiden Transportmittel müssen sich sinnvoll ergänzen. Und nicht versuchen, sich auszustechen oder zu unterbieten. Das verhindert, dass die Leistungen der Fahrer angemessen bezahlt werden.

Die Politik und das Bundeskartellamt für fairen Wettbewerb lassen die Lage zu. Dort ist ein Teil der Schuld verankert. Genau wie bei den Speditionsunternehmen und den Firmen, die diese Fahrer zu solchen Spottpreisen engagieren. Und natürlich liegt die Schuld im unstillbaren Appetit des Verbrauchers. Bei uns.

Ich hoffe, mit dem Artikel bin ich niemandem auf den Schlips getreten, außer den Politikern, die es verdienen. Am wenigsten können die Fahrer etwas dafür, die in dieser Situation stecken. Die Frage ist, wie deren Situation verbessert werden kann, ohne sie verschwinden zu lassen. Denn es gab bereits den Versuch der Politik, einen Mindestlohn für diese Fahrer zu schaffen. Resultat war nur, dass sie plötzlich weg waren. Denn niemand war bereit, diesen Mindestlohn zu bezahlen.

Wie ist eure Wahrnehmung? Fühlt ihr euch bedroht vom Aufkommen der Kleintransporter?

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