Stadt ohne Abgase: the Line

(Bild: Shutterstock)

Keine Staus und kein eigenes Auto

In diesem Blog schauen wir uns die Zukunftsstadt the Line an, die in Saudi-Arabien mitten in der Wüste gebaut werden soll.

Die Stadt verspricht, so aufgebaut zu sein, dass es dort keine Staus und keine CO²-Abgase mehr gibt.

Sie soll ein Paradebeispiel für eine Elitestadt sein. Dort soll überwiegend alles automatisiert ablaufen, um den Menschen, die dort leben werden, die alltägliche Arbeit abzunehmen. Wohlergehen und Gesundheit stehen dabei im Mittelpunkt.

Alles ist Teil eines gigantischen Bauprojektes, das sich Neom nennt.

 

Wirtschaftszone Neom

Neom ist der Sammelbegriff und Projektname mehrerer futuristischer Gebäude, die am Roten Meer in Saudi-Arabien gebaut werden sollen. In diesem Gebiet sollen Menschen leben, sich erholen, die Zukunft erleben, aber vor allem arbeiten. Dadurch sollen technische Entwicklung und Fortschritt in das Land geholt werden.

Für die entworfene Wirtschaftszone will das Land die “besten und klügsten Menschen” (von der offiziellen Neomseite) anlocken. Die Idee ist, dem Land, dem das Öl knapp wird, eine neue Grundlage zu geben.

Das, was der Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman für sein Land vorgesehen hat, ist dabei überaus ambitioniert und kostspielig. Kosten soll das ganze Bauprojekt 500 Milliarden US-Dollar, erfahren wir auf augsburger-allgemeine.de

Ambitioniert deshalb, weil das Land von Grund auf umgekrempelt werden muss. Bis 2060 soll die gesamte Energie aus erneuerbaren Quellen bezogen werden, damit das ganze Land frei wird von CO²-Abgasen. Zur Zeit liegt der Anteil erneuerbarer Energien noch bei 0,5%. 

Decken soll den Energiebedarf grüner Wasserstoff (hergestellt durch Wind- und Sonnenenergie). Dafür sollen riesige Anlagen gebaut werden. (Über Wasserstoff in der Logistik haben wir bereits einen Blog geschrieben: LKWs fahren mit Wasserstoff).

Mit dieser Energie soll für den Anfang der gesamte Neomkomplex mit Energie versorgt werden.

 

Logistik und Technik in Neom

Neom besteht aus verschiedenen Gebäudekomplexen, von denen jedes für sich genommen unglaublich sein wird.

Es wird einen achteckigen, schwimmenden Industrieort namens Oxagon geben. Hier soll die neueste Technik angewandt werden, Industrie à la 4.0. Im Wüstengebirge werden ein Wanderresort und ein Wintersportparadies gebaut. Die Anlage heißt Trojena. 2029 sollen hier bereits die asiatischen Winterspiele stattfinden, erfahren wir auf heise.de. Außerdem wird eine ganze Insel für Luxusurlaube umgerüstet und wird den Namen Sindalah tragen.

Für dieses Projekt arbeitet Neom mit einem der weltweit führenden Logistikunternehmen zusammen: DSV. Gemeinsam sollen Infrastrukturnetzwerke rund um Neom aufgebaut werden, für die Zeit des Baus und für danach. Dabei wollen sie “bahnbrechende Technologien“ entwickeln und eine nachhaltige Logistik erschaffen, erfahren wir auf verkehr.co.at.

Wohnen werden die Menschen in the Line. In der Zukunftsstadt wird alles, was man braucht, fußläufig erreichbar sein.

 

I walked the Line: Stadt ohne eigenes Auto

Letztlich kommen wir zum Herzstück von Neom: the Line. Eine Metropole in der Wüste, in der 9 Millionen Menschen leben sollen. Diese Zukunftsstadt bedarf eines ganz neuen Lieferverkehrs. Denn sie wird nicht rund und um ein Zentrum errichtet wie herkömmliche, natürlich entstandene Städte.

Die Stadt wurde als eine schnurgerade, 170 km lange Linie entworfen. Dafür stehen sich zwei parallel zueinander verlaufende Reihen von 500 Meter hohen Hochhäusern gegenüber, ummantelt von Beton und Glas.

Für den Lieferverkehr wird das erstmal bedeuten, sie müssen nur geradeaus fahren. Einen Lieferverkehr, wie wir ihn kennen, wird es aber nicht geben. Die Fahrzeuge in The Line fahren autonom. (Über autonomen Transport haben wir bereits einen Blog geschrieben: Autonomes Fahren).

Die Wohneinheiten sind so konzipiert, dass alles, was man braucht, fußläufig in nur 5 Minuten erreichbar ist. Außer einem Fahrrad wird es keinen Individualverkehr geben. Wer wohin muss, nimmt ein autonomes Taxi oder den unterirdischen Hochgeschwindigkeitszug, der beide Enden von the Line miteinander verbindet.

Um das Wohlergehen und den Komfort zu steigern, soll alles automatisiert sein und über künstliche Intelligenz gesteuert werden. Zahlreiche Berufe und der Haushalt werden von Maschinen übernommen. Alles, um den dort in Zukunft Lebenden mehr Zeit zu ermöglichen, innovativ und erfinderisch zu sein.

Wer soll dort eigentlich wohnen? Denn zur Zeit leben dort 20.000 Beduinen.

 

Ein neues Zuhause ohne Platz für die Einheimischen

In The Line soll aus unterschiedlichen Menschen eine Gemeinschaft entstehen, welche die Individualität respektiert und fördert. Das liest man auf der offiziellen neom.com-Webseite.

Die Menschen, die bereits in dem Gebiet leben, haben allerdings nicht das Glück, zu dieser Gesellschaft zu gehören. Wer den Ort nicht verlässt und dem Bau im Weg steht, wird das mit langen Haftstrafen oder dem Tod bezahlen müssen.

Ein hoher Preis für den Fortschritt und gewiss keine leeren Worte. Das beweist der Tod von Abdulrahim al Huwaiti. Er weigerte sich, sein Haus zu verlassen und wurde vom saudischen “Sicherheitsdienst” ermordet, erfahren wir auf bbc.com.

Wenn für die dort Ansässigen kein Platz ist, wer soll dann dort wohnen?

 

Neue Menschen braucht das Land

Alle Menschen sind willkommen, solange sie zu den Besten und Klügsten gehören und für Fortschritt sorgen. Sehr klare Vorstellung also vom Profil und dem Nutzen der neuen Bürger:innen.

Da kommt es natürlich zu einem Konflikt. Denn für einige Menschen hält der Gottesstaat, wo der Wahabismus (strenge Form des Islams) herrscht und die Scharia waltet, viele Formen der Unterdrückung bereit. Die Selbstbestimmung der Frauen (sie benötigen die Zustimmung eines männlichen Vormundes und dürfen ihre Meinung nicht öffentlich äußern) und das Leben von Homosexuellen (Todesstrafe) werden bedroht. Manche Verbrechen in diesem Land werden noch durch Amputationen, Auspeitschen oder sogar Steinigungen geahndet, erfahren wir auf merkur.de.

Die Lösung des Konflikts ist einfach: Die Neom-Zone wird zu einem autonomen Gebiet erklärt. In dieser Zone werden also die strengen Gesetze gelockert. Das soll das Gebiet auch für Menschen interessant machen, die ein freieres Leben gewohnt sind.

Diese Menschen sollen zum neuen Wirtschaftsmotor werden, nachdem der alte allmählich trocken zu laufen scheint.

 

Ölexporteur Nr.1 soll frei von CO² werden

Saudi-Arabien gilt als das reichste Land der Welt, vor allem an Öl. Angefangen als Land voller Nomadenvölker hatte es das Glück, 1948 auf die größte Ölquelle der Welt zu stoßen: Die Ghawarfelder.

Noch gilt Saudi-Arabien als weltweit größter Exporteur des Öls. Obwohl der Zustand der Ölfelder ein Staatsgeheimnis ist, sieht es so aus, als versiegen die Felder allmählich.

Es werden große Mühen unternommen, vorhandene Felder restlos auszuquetschen, neue zu finden und sogar außer Betrieb genommene wiederzubeleben. Die Staatspolitik sieht vor, noch den letzten Tropfen aus dem Boden zu saugen.

Das Land selbst möchte zwar auf erneuerbare Energien umsteigen, den jetzigen Exportschlager Nummer 1, das Öl, wollen sie aber weiterhin an andere Länder verkaufen.

Diese Strategie sowie die Fixierung auf CO²-Abgase als einzigem Klimaschädling wirkt auf manche wie Greenwashing. 

 

Grün, grün, grün ist alles, was ich hab’

Gegen Saudi-Arabien gibt es einige Anschuldigungen wegen “Greenwashing”. Die Vorwürfe wenden sich zunächst an das staatliche Ölförderunternehmen Aramco. Da Saudi-Arabien aber eine Monarchie ist, geschieht nichts ohne Mohammed bin Salman.

Das Land versuchte 2021, die Ergebnisse des UN-Weltklimaberichts zu verfälschen, um deren Schlussfolgerungen abzumildern, dass ein Ausstieg aus fossilen Brennstoffen “dringend” sei, erfahren wir auf taz.de

Trotzdem betont ein Regierungssprecher, dass kein Greenwashing betrieben werde und Saudi-Arabien auf eine grüne Zukunft zusteuere, erfahren wir auf bbc.com.

Da können wir nur hoffen, dass die Oberhäupter Saudi-Arabiens keine Rot-Grün-Schwäche haben und grünen mit grauem Wasserstoff verwechseln.

 

Fazit

Auf der einen Seite ist es ein beeindruckendes Vorhaben und wenn es realisiert werden kann, bedeutet es einen Einblick in eine ganz neue Art zu Leben.

Andererseits verschlingt das Projekt jede Menge Berufe und schließt viele Menschen aus. Solche nämlich, die keine Erfinder oder Innovateure sind.

Letztlich ist es schwer sich vorzustellen, dass ein Projekt, das über Leichen geht, eine Zukunft hat.

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Eine Antwort

  1. Robert Gehrke sagt:

    Ich denke nicht, dass ich in diesem rückständig regierten Land wohnen möchte, wo noch Hände abgehackt werden, Auspeitschungen erfolgen und harmlose Einwohner ermordet werden, die einfach nur in der Heimat bleiben möchten und in ihrem Haus weiter wohnen möchten. Auch die Unterdrückung der Frauen ist ein sehr sehr großes Problem und Thema.Es gilt die Scharia, eine der rückständigsten Gesetzesformen der Welt, ein Gesetz das älter als das dunkle Mittelalter ist und schrecklich grausame unmenschliche Strafen vorsieht.Das Mittelalter ist dagegen schönste blühende Zukunft.
    Wie sollen dort jemals moderne Menschen leben und schaffen,wenn die Gesetze derart rückständig sind und menschenverachtend.Wird man dann beim kleinsten Fehler auch von der Staatspolizei ermordet, fragt man sich doch. Niemals würde ich dorthin ziehen, selbst wenn das modernste Haus der Welt dort steht, das gesamte Staatsklima erinnert einen doch an übelste Urzeiten der Menschheit.

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