Führerscheinentzug bei Berufskraftfahrern

(Bild: Sebastian Nagel)

 

Was man machen kann, um ihn doch zu behalten?

 

Wer täglich auf den Straßen unterwegs ist, trägt ein großes Risiko, viel falsch zu machen. Fehler im Straßenverkehr sind schnell passiert. Wir reden hier nicht von gravierenden Unfällen. Auch kleine Vergehen kosten Punkte. Und 8 Punkte sind schnell erreicht.

Wir schauen uns die letzten Sanktionen an, die der Straßenverkehr zu bieten hat: Die Führerscheinsperre und den Entzug. Was können diese Strafen für den Beruf bedeuten? Reichen sie als Kündigungsgrund aus?

Wir hören uns die Meinungen einiger Anwälte an, die sich auf das Straßenrecht und den Arbeitnehmerschutz spezialisiert haben. Wir werden mit Verblüffung feststellen, dass man Bußgeldbescheide und vermeintliche Ordnungswidrigkeiten oft, erschreckend oft, rechtlich anzweifeln kann.

Was bei der Ahndung im Straßenverkehr alles schief läuft und dass selbst der Führerscheinentzug, nicht immer das Ende bedeuten muss, erfährst du in diesem Blog.

Und ab geht's! (im vorgeschriebenem Höchsttempo)

 

Viele Wege, den Führerschein zu verlieren

Im Straßenverkehr kann man einiges verlieren oder aufgebrummt bekommen: Geldstrafen, Punkte in Flensburg oder die Führerscheinsperre. Als letztes Mittel der Bestrafung steht der Führerscheinentzug. Schlimmstenfalls kann sogar das Gefängnis drohen, wenn man grob fahrlässig handelt. Ein Beispiel dafür kannst du in unserem Blog Trunkenheit am Steuer nachlesen.

Die Maßnahmen erscheinen sehr streng und sind in den letzten Jahren nochmal strenger geworden. An sich dienen sie der Verkehrssicherheit und Abschreckung, doch auch der Verkehrserziehung. Es ist dabei gleichgültig, wie oft man sich im Verkehr bewegt oder wie sehr man auf den Führerschein angewiesen ist: Für alle gilt das gleiche. Egal, ob Berufsfahrer oder Sonntagsfahrer. Ab 8 Punkten wird der Führerschein entzogen. Wir werden sehen, dass das nicht gerade schwer ist, es ist sogar erschreckend einfach.

Auf Bußgeldkatalog.org kann man die Vergehen nachlesen.

Wenn man außerorts nur 16 km/h zu schnell ist, bekommt man den ersten Punkt  und schon eine satte Strafe von 168,50€. Ab 31km/h gibt es schon 2 Punkte, 283,50€ Strafe und 1 Monat Führerscheinentzug. Das geht rasend schnell. Ein Monat ist hingegen quälend lang, wenn man beruflich auf den Führerschein angewiesen ist. Es geht aber noch schlimmer.

Wenn man 50 km/h zu schnell fährt, ist der Führerschein schon 2 Monate weg. Von den 633,50€ Strafe und den 2 Punkten in Flensburg ganz zu schweigen. Bei 60 km/h ist man für 3 Monate gesperrt. Das kostet dann 738,50€ Strafe und 2 Punkte.

Die Strafen werden noch höher, wenn man zweimal innerhalb kürzerer Zeit erwischt wird. Wenn man innerhalb von 12 Monaten zweimal mit überhöhter Geschwindigkeit (plus 26 km/h) gefahren ist, gibt es direkt einen Monat Sperre.

Innerorts sind die Strafen sehr ähnlich, nur teurer. Hinzu kommt, dass man einen Punkt kassiert, wenn man nicht mit Schrittgeschwindigkeit abbiegt.

Für LKW-Fahrer ist es sogar möglich, beim Parken Punkte abzubekommen. Wenn man eine Behinderung oder Gefährdung für den restlichen Verkehr darstellt oder man beim Parken Sachbeschädigung begeht. Dafür gibt es jeweils einen Punkt. Bei den Lenk- und Ruhezeiten sind die Behörden hingegen etwas gnädiger. Zumindest gibt es für überschrittene Zeiten keine Punkte. Außerdem wird der Arbeitgeber direkt mit zur Kasse gebeten.

Wenn der Arbeitgeber oder der Disponent Druck machen und man deshalb geblitzt wird, haftet immer der Fahrer. Der Fahrer trägt immer das Risiko und unternimmt jede Handlung in Eigenverantwortung.

Beim Abstand sind die Behörden sehr streng. Dann kann es schnell durch ein Vergehen zu zwei Punkten kommen. Auf LKW-Bußgeldkatalog kannst du nochmal genau nachgucken, was wie viel kostet.

Schlimmere Strafen drohen, wenn man besonders fahrlässig handelt. Sprich, unter Alkohol oder Drogen fährt und somit andere stark gefährdet. Oder bei Fahrerflucht oder dem nachlässigen Absperren einer Unfallstelle. Dann kann es sogar zu Freiheitsstrafen kommen. Von 2 oder 5 Jahren, sogar bis lebenslänglich. Da muss man allerdings schon ordentlich Mist bauen.

 

Fahrverbot und Führerscheinentzug

Bei Androhung des Fahrverbots hat man grundsätzlich 2 Wochen Zeit, Einspruch einzulegen. Nach dieser Frist wird die Strafe rechtskräftig. Man hat dann, wenn es sich um das erste Fahrverbot handelt, vier Monate Zeit, ihn abzugeben. Man hätte gegebenenfalls genug Zeit, seine Spedition darauf vorzubereiten, um Urlaub zu nehmen oder eine interne Tätigkeit für den Übergang zu organisieren. Beim 2. Mal muss man ihn direkt abgeben.

Das Fahrverbot ist temporär und gilt für maximal 3 Monate. Der Führerscheinentzug hingegen bedeutet, dass der Führerschein weg ist. Die Sperrfrist beträgt mindestens 6 Monate. 6 Monate vor Ende dieser Frist kann der Führerschein neu beantragt werden. Den gibt es jedoch erst wieder nach der MPU oder einer Nachschulung.

 

Die Medizinisch- Psychologische Untersuchung. 

Die MPU ist die Grundvoraussetzung, einen entzogenen Führerschein wiederzubekommen. Es soll geprüft werden, ob es verantwortet werden kann, jemanden wieder hinters Steuer zu lassen. Dafür gibt es gesundheitliche und psychologische Tests. Außerdem solche, die fürs Fahren wichtige Fähigkeiten prüfen, wie das Reaktions- und Orientierungsvermögen und die Konzentration. Es wird ein gesamtes Gutachten erstellt. Erst danach darf man den neuen Führerschein wieder beantragen.

Der Test beinhaltet neben dem Reaktionstest einen Wahrnehmungstest und einen Linienverfolgungstest. Letzterer prüft das Orientierungsvermögen.

Bei dem Linienverfolgungstest muss man einer Linie folgen, die von anderen unterbrochen wird. Man muss ihr mit den Augen durch das Durcheinander folgen. Dabei wird die Zeit gestoppt. 

Der restliche Test läuft ganz am Computer ab. Man hat Kopfhörer auf und reagiert auf Signale und Geräusche. Außerdem geht es darum, Bilder zu beschreiben, die gezeigt werden. Dadurch wird festgestellt, was derjenige alles erfassen kann.

Der Schwierigkeitsgrad des Test sei nicht sehr hoch.

 

Ist mit dem Führerschein auch der Job futsch?

Rechtsanwalt Thomas Hockauf schreibt, dass eine Führerscheinsperre oder ein Entzug ausreicht, seinen Beruf zu verlieren, sofern es sich um Berufsfahrer handelt. Es reiche für einen außerordentlichen Kündigungsgrund.

Bei kurzweiligen Fahrverboten habe der Arbeitgeber die Pflicht zu schauen, ob der Betroffene nicht so lange auf einen anderen Posten arbeiten oder  freigestellt werden kann. Urlaub kann auch für diese Zeit genommen werden.

Der Entzug der Fahrerlaubnis hingegen stellt einen außerordentlichen Kündigungsgrund dar. Am Ende entscheidet jedoch immer das Gericht. Hockauf rät, bei einer Kündigung Rechtsbeistand zu suchen, um im Rahmen der Kündigungsschutzklage von 3 Wochen zu bleiben. Die Kündigungsschutzklage kann der Arbeitnehmer erheben lassen, wenn er seinen Kündigungsgrund als unfair empfindet.

Hockauf erzählt, Gerichte lassen sich nicht immer vom Führerschein als Existenzgrundlage umstimmen. Ihrer Ansicht nach müssten gerade diejenigen besonders angepasst fahren.

Auf Experto.de erfahren wir, dass eine Kündigung rechtens ist, wenn länger als zwei Monate auf den Führerschein verzichtet werden muss. Wenn man schon lange in einem Betrieb ist, kann es ebenfalls sein, dass die Gerichte bei einem Urteil auf der Seite des Fahrers stehen. Auch die Größe des Unternehmens ist entscheidend. Bei kleineren können sie sich schlecht jemanden erlauben, der nicht fährt und den sie mitziehen müssen.

 

Macht Einspruch Sinn?

Auf jeden Fall. Sobald es da ist, hat man 14 Tage Zeit dafür.

Bis zu 50% aller Bußgeldbescheide seien fehlerhaft, erfahren wir von Bussgeldkatalog2023. Blamabel, aber immerhin ehrlich.

Gründe hierfür sind falsche Messergebnisse, keine eindeutige Zuordnung der Fahrer oder einfach menschliche Fehler beim Eintragen, Zahlendreher. Das Messgerät kann falsch bedient oder falsch aufgestellt worden sein. Es kann sehr viel angezweifelt werden. Wird beispielsweise mit einem Lasermesser geblitzt, muss vorher eine Testmessung durchgeführt werden. Das passiere oft nicht.

Es können außerdem immer wieder Verfahrensfehler auftreten. Das Problem ist, dass man als Privatperson von den Behörden keine Akteneinsicht bekommt. Das dürfen nur Anwälte. Man kann seine Bußgeldbescheide auf der Seite kostenlos durchchecken lassen. Man kann sich da sehr leicht anhand von Bildern durchklicken. Sehr anschaulich.

Wenn Punkte drohen, wird geraten, sich prinzipiell immer zur Wehr zu setzen. Denn bei Wiederholungstaten winken höhere Strafen.

 

Jeder 3. Bußgeldbescheid ist fehlerhaft

In einem Artikel der Zeit von 2017 erfahren wir diese alarmierende Zahl. Man geht darin davon aus, dass jährlich etwa 20 Millionen Bußgeldbescheide rausgehen und jeder 3. fehlerhaft ist. Ein riesiger und unnötiger Arbeitsaufwand. Rechnet man dazu noch all die Anwälte, die Einspruch erheben. Es geht dort um ein Interview mit dem Anwalt des Unternehmens Geblitzt.de. Das ist eine Kanzlei, die auf genau solche Verfahrens- und Messfehler der Behörden spezialisiert sind. Sie übernehmen die Prozesskosten und machen eine kostenlose Beratung, ob der Fall erfolgsversprechend ist oder nicht.

Wenn die Kanzlei die Fälle gewinnt, muss der Staat die Kosten für die Verhandlung tragen. Eine riesige Geldverschwendung. Das Geld sollte vielleicht eher darauf verwendet werden, die Beamten besser zu schulen.

 

Der Toleranzabzug

Eines Teils der Messungenauigkeiten sind sich die Behörden bereits bewusst und man versucht, mit dem Toleranzabzug entgegenzuwirken. Generell zieht man 3 km/h ab, wenn man sich unter 100 km/h bewegt. Wird man darüber geblitzt, werden 3% abgezogen. Das ist nicht viel, kann im Einzelfall aber sehr entscheidend sein.

Angaben dazu findet man im Bußgeldbescheid. Dort steht es unter “festgestellte Geschwindigkeit nach Toleranzabzug”. Falls er nicht angegeben ist, kann das ein Fehler im Bußgeldbescheid sein.

 

Blitzerskandale

Von einer Panne, die sich in Köln Rath/Heumar 2017 ereignete, berichtet der Spiegel. Der Blitzer auf der Autobahn hat zwar einwandfrei funktioniert, bloß war die Beschilderung falsch, sie zeigte eine höhere Geschwindigkeit als erlaubt war. Wie viele deshalb fälschlicherweise geblitzt wurden, weiß man nicht. Es gingen aber 27 860 Anträge auf Rückerstattung ein. 1,3 Millionen € an falschen Bußgeldern mussten zurückerstattet werden, was längst nicht alle waren. Man muss sich selbst darum kümmern, sein Geld wieder zu bekommen, obwohl der Fehler eindeutig woanders lag.

Von einem Blitzerskandal in Hessen berichtet der Focus. Dort seien 2013 lange Zeit Blitzer in Betrieb gewesen, die völlig fehlerhafte Ergebnisse vorbrachten. Selbst als das allseits bekannt wurde, ließ die Stadt sie weiterhin stehen. Solange jedenfalls bis ein Anwalt eine Strafanzeige auf “Verdacht auf gewerbsmäßigen Betrug” stellte. Die Stadtverwaltung räumt diese Mängel zwar ein, zurückgezahlt wird jedoch nichts. Die betrügerisch eingenommenen 260 000€ behält die Stadt Kassel. Sie rechtfertigen das damit, dass alle Betroffenen bereits bezahlt haben. Für die Stadt haben die Betroffenen den Anschuldigungen damit zugestimmt.

Auf Sat1 gibt es dazu eine unterhaltsame Sammlung der absurdesten Blitzer. Ein Blitzer in der Fußgängerzone in Bonn zum Beispiel. Er soll eigentlich die Busse blitzen, die schneller als 7 km/h fahren. Stattdessen blitzen sie überwiegend die Fußgänger, die sich einen Spaß daraus machen, so schnell dran vorbeizulaufen, bis es blitzt. Klingt witzig. Traurig wird es erst, wenn man erfährt, dass alle diese Aufnahmen auch ausgewertet werden müssen. Da gehen also wieder Stunden durch unsinnige Arbeit verloren.

 

Fazit

Natürlich machen die Sanktionen im Straßenverkehr Sinn. Sinnentleert ist hingegen, dass sich alle gleichermaßen vor der 8-Punkte-Grenze in Acht nehmen müssen

Das Punktesystem ist für LKW-Fahrer teilweise sogar strenger, da sie auch fürs Parken Punkte bekommen. Die Meinungen gehen auseinander. Die einen sagen, wer viel unterwegs ist, muss doppelt aufpassen. Die anderen: Fehler passieren. Wir sind Menschen. Wer viel fährt, macht auch mehr Fehler.

Die Wahrheit ist, 8 Punkte sind verflixt schnell erreicht. Und hin und wieder machen wir alle Fehler im Straßenverkehr

Es gibt Verständnis für den Führerscheinverlust. Manche Speditionen sind bereit, das aufzufangen. Man muss jedoch Glück haben.

Dass so viele Verfahren auf falschen Messergebnissen oder menschlichen Fehlern beruhen, ist ein ganz anderes Thema. Hier sollte mehr getan werden, um das im Vorfeld zu vermeiden. Es macht keinen Sinn, die Fehler der Behörden, von Berufsfahrern und deren Anwälten bereinigen zu lassen. Immerhin müssen die Fahrer dabei auch um ihre Existenz bangen.

Unnötige Geldverschwendung, unnötiger Stress und schlimmstenfalls ein unnötiger Berufsverlust.

Habt ihr vielleicht selbst Geschichten, wo ihr ähnliches Pech hattet? Gab es da Verständnis? 

 

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