Frachtdiebe 2. Teil: Sicherheitsprojekte und -techniken

(Bild: Sebastian Nagel)

 

Wie kann man Frachtdiebe in die Flucht schlagen?

In diesem Blogartikel erfährst du von Techniken und Projekten, die Frachtdiebstähle verhindern und die Fahndung erleichtern wollen.

Wir zeigen Bemühungen der Polizei, der Politik und freier Unternehmen. Sie alle haben ein Ziel: Frachtdiebstähle zu verhindern. Wir schauen uns die verschiedenen Herangehensweisen an.

Die Diebe werden dabei erschreckt, ertappt oder deren Messer verbogen.  Verdient haben sie es nicht anders. Denn Frachtdiebstahl richtet einen großen Schaden an. Das Image der Unternehmen leidet. Nicht alles wird von der Versicherung gedeckt. Kunden springen ab. Schäden können auch dort entstehen, wo die Ware ausbleibt. Wenn z.B. ein Supermarkt Waren dadurch nicht vorrätig hat und der Kunde zum Konkurrenten übergeht.

Solche Verbrechen werfen weite, unkontrollierbare Wellen. Daher kann man den Schaden nicht ganz bestimmen. Am Besten geschieht es gar nicht erst.

Sensoren scharf, auf geht’s!

 

Projektgruppe-Cargo LKA aus Sachsen-Anhalt

Frachtdiebe aufgepasst! Am 1.07.2018 wurde die Projektgruppe-Cargo vom LKA Sachsen-Anhalt ins Leben gerufen. Sie hatte die Aufgabe, den Langfingern ordentlich auf die Griffel zu klopfen. 

Das Projekt wurde von der EU gefördert. Idee war es, Erkenntnisse und Informationen, die bei der europaweiten Bekämpfung des Frachtdiebstahls gewonnen werden, zu bündeln. Vorgehensmuster der Verbrecherbanden sollten dadurch grenzübergreifend erfasst werden. Damit könnte man europaweit Diebesbanden verfolgen, die sich sonst über die Grenzen retten und dem jeweiligen Polizeiradar entziehen.

Koordiniert werden sollten die Einsätze und Zugriffe dann von der Projektgruppe-Cargo und Europol in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Nationalpolizei vor Ort, je nachdem, in welchem Land der Zugriff stattfinden würde.

Eine sehr gute Idee. Gerade weil die offenen Grenzen und die damit verbundene schnelle Flucht die Schwachstelle der bisherigen, ergebnislosen Strafverfolgung war. Genau diese bisherige Schwachstelle versuchte das LKA in eine Stärke umzuwandeln.

Es wurden tatsächlich einige Erfolge erzielt. Außerdem gab es bereits Partnerschaften zu Polen, Frankreich und Österreich. Auch weitere EU-Länder, die ebenfalls massiv unter Frachtdiebstählen leiden, bekundeten ihr Interesse. Wenn ganz Europa wirklich so zusammengearbeitet hätte, wäre den Dieben bestimmt bald die Puste ausgehen.

Seltsamerweise ging jedoch diesem Projekt die Puste aus. Obwohl die LKA-Pressedirektorin Specht in einem Interview mit der Süddeutschen Anfang des Jahres 2022 von einem Erfolg der Cargo-Einheit sprach. Das vielversprechende Projekt lief jedoch einfach aus, ohne verlängert zu werden.

Am 31. Dezember 2020 endete das Projekt, schreibt die DVZ. Trotzdem wollen wir uns eine erfolgreiche Festnahme anschauen, über welche Magdeburger-News.de am 4. März 2019 berichtet.

Eine zehnköpfige Verbrecherbande aus Polen ging dem Projekt-Cargo in Zusammenarbeit mit Europol und Beamten aus Polen, Tschechien, Österreich und Deutschland  ins Netz. Die Bande hortete Diebesgut im Wert von 100.000€. 

Ein Teil der Bande wurde auf frischer Tat ertappt. In den zwei Jahren ihrer verbrecherischen Tätigkeiten konnte sie eine Beute anhäufen, die 30 Wohnungen füllte. Darüber hinaus besaßen die Bandenmitglieder Wagen und Luxusgüter im Wert von 600.000€. Da muss man kein erfahrener Ermittler sein, um zu vermuten, wo dieses Vermögen herkommt.

Das Vorgehen der Bande sah wie folgt aus. Planenschlitzer sondierten die Lage. War was von Interesse dabei, verständigten sie die Transporteure, die mit gefälschten Nummernschildern und Kleintransportern vorfuhren, einluden und ab nach Polen preschten. Darüber, wie viele von solchen Kleintransportern unterwegs sind, haben wir bereits in einem anderen Blogbeitrag geschrieben: Kleintransporter: Ein Problem für den Gütertransport? Schwer also, die weiterzuverfolgen.

Trotz Erfolgs wandte man sich offenbar anderen Verbrechen zu. Zumindest fand ich keine Berichte über eine Weiterführung oder ein ähnliches Projekt.

Wenn die Polizei offenbar das Interesse verliert, schauen wir, was auf politischer Ebene getan wird.

 

Mehr Kameras, weniger Langfinger

Rastplätze sind oft unübersichtlich, nicht videoüberwacht, laut und bieten dunkle Ecken. Optimale Bedingungen zum Wachsen diebischer Tätigkeiten. Hier können Frachtdiebe frei gedeihen. Die ehemalige bayerische Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr Kerstin Schreyer hat eine keinesfalls neue und originelle Idee, wie man diesen unwillkommenen Wildwuchs eindämmen kann: Mehr Kameras. Kameras sollen abschrecken und bei der späteren Fahndung helfen.

Mit diesem Wunsch wandte sie sich in einer Pressemitteilung vom 26.01.2022 auf der Seite des Staatsministerium Bayern an den aktuellen Verkehrsminister Dr. Wissing. Zuversichtlich spricht Schreyer davon, das mit dem Datenschutz schon irgendwie hinzubekommen. Man könne Datenschutz und “Aufenthaltsqualität” schon vereinen.

So einfach wohl doch nicht. Ich habe keine Reaktion von Dr. Wissing gefunden. Noch fand ich eine Meldung, wo Schreyers Wunsch noch einmal aufgegriffen wurde. Und das ist immerhin schon über ein Jahr her.

Wie kommt das? Ist es vielleicht doch nicht so einfach mit dem Datenschutz?

Die russische Kompanie für Datenschutz Ascon erklärt, dass die Datenschutzvereinbarungen einfach schwierig seien. Es gehen viele Beschwerden der Bevölkerung bei den Aufsichtsbehörden ein, weil man unrechtmäßig gefilmt werde. Die Bürger reagieren empfindlich darauf, gefilmt zu werden und machen gerne von ihrem Recht auf Datenschutz Gebrauch. Es bleibt ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Viele Unschuldige werden unfreiwillig aufgenommen. Die Datenschutzgrundverordnung habe die Rechte wohl so weit gestärkt, dass viele mutig sind, diese auch durchzusetzen.

Den ganzen Rastplatz zu filmen scheint also gar nicht mal so einfach zu sein. Aber wie ist es, wenn man die Kamera auf jemand anderen schwenkt und stattdessen Fracht und Fahrer ins Visier nimmt? 

 

Biometrie und Ortungssysteme: Misstrauen ist gut, totale Kontrolle ist besser.

In einem Bericht der Asstra vom 4.07.2018 wird behauptet, dass sie das Problem mit der Frachtsicherheit lösen können. Sie setzen auf Biometrie und Ortungssysteme.

Das Logistikunternehmen aus Zürich geht davon aus, dass der Großteil der Frachtdiebstähle durch “unanständige” Fahrer geschieht. Wir können nur raten, was das bedeuten soll, denn erklärt wird es nicht. Ich gehe davon aus, “unanständige” Fahrer sollen solche sein, die mit der Ladung durchbrennen oder Informationen an Verbrecherbanden durchgeben. Vielleicht auch solche, die sich nur als Fahrer ausgeben. Die letzten beiden Vorgehensweisen gibt es durchaus. Darüber haben wir bereits im ersten Teil dieser Serie: Frachtdiebe Teil 1: Vorgehen und Folgen gesprochen. Aus einem Bericht der BAG geht jedoch ganz klar hervor, dass der Großteil der Frachtdiebstähle durch Planenschlitzer geschieht. “Unanständige” Fahrer werden dort nicht aufgeführt.

Asstra geht also davon aus, man müsse die Fracht allen voran erstmal vor den Fahrern schützen und vor allen, die von Berufswegen mit der Fracht in Berührung kommen. Dahinter steht die Annahme, dass jeder Mensch, der mit der Ware in Berührung kommt, eine Gefahr bedeutet. Das ist eine harte Annahme gerade von einem Logistikunternehmen. Heißt so viel wie: Misstrauen ist ein Anfang und totale Überwachung die Folge.

Klingt furchtbar, ist es auch und für jeden Fahrer ein Schlag ins Gesicht.

Asstra möchte mit biometrischer Erkennung und Ortungssystemen wie Track and Trace jederzeit wissen, wer Zugriff auf die Fracht hat und wo sie sich befindet. Damit aber nicht genug. Auch die Gespräche zwischen Disponent und Fahrer sollen abgehört werden. Das heißt, dass der Fahrer unter völliger Beobachtung steht.

Effektiv ist es bestimmt. Denn es ist zweifellos schwieriger, etwas zu überfallen, was jederzeit überwacht wird. Man muss sich nur fragen, wie viel Sicherheit kosten darf. Denn ein solches Misstrauen kann schnell die Atmosphäre eines Unternehmens vergiften. 

Wir sehen, der Datenschutz macht so seine Probleme und die totale Überwachung der Mitarbeiter ist auch keine super Lösung. Wie wäre es, wenn man stattdessen den Frachtraum so weit sichert, dass niemand durchkommt?

 

Kettenhemd und Kabel

Das belgische Unternehmen Sioen und die ZF, Friedrichshafener Zulieferer AG, haben das Produkt Detector entwickelt. Nach Aussage von Sioen wurde es bereits ausgiebig von einigen Flotten getestet. Es geht um eine stabile, für Planenschlitzer undurchdringliche Plane, die zudem mit einer Alarmanlage vernetzt ist.

Es handelt sich um eine mehrlagige Plane aus Textil und Draht. Das stoppt zunächst tiefe Schnitte. Planenschlitzer können mit ihren Messern und Cuttern nicht mehr durch die Plane schneiden. In der Plane befinden sich Sensoren, die durch den Einschnitt einen Alarm auslösen. Dieser geht an die Zentrale und an den Fahrer. So kann direkt die Polizei verständigt werden. Ein anderer Alarm schrillt laut über den Rastplatz. Er soll die Diebe abschrecken.

Sollten sich die Frachtdiebe selbst davon nicht abschrecken lassen, gibt es eine Fernsteuerung für den Frachtraum, mit der man den Zugang mit einem elektronischen Schloss verrammeln kann. Bis sie sich daran die Zähne ausgebissen haben, ist die Polizei hoffentlich bereits da.

Das ist eine großartige Kombination aus Alarm, Abschreckung, Hilferuf und Verteidigung.

Ganz anders versucht sich Truck Norris dem Problem zu stellen. Vor der ganzen Überwachung verschließen sie die Augen. Stattdessen sperren sie hochsensible Lauscher auf.

 

Truck Norris: Lauscher auf gegen Frachtdiebe

Unter dem lustigen und einfallsreichen Namen verbirgt sich eine intelligente Maschine. Die Gründer des deutschen Start-Up-Unternehmens kommen aus Sachsen-Anhalt, berichtet Transinfo. Über Hochleistungsmikrophone, die auf lernfähigen Programmen basieren, versucht das System bereits die leiseste Regung der Frachtdiebe wahrzunehmen und Alarm zu schlagen. Selbst leiseste Schnittgeräusche an der Plane sind hörbar, informiert die Seite von Truck Norris. KI unterstützte Computersysteme ermöglichen es dem Programm zu lernen. Das heißt, sie kann auch neue “verdächtige” Geräusche in ihre Datenbank integrieren. Die wachsende Datenbank enthalte an sich bereits viele Geräusche, auf die zurückgegriffen werden kann, wenn es wenig Netz gibt.

Im unteren Teil ihrer Seite spricht Truck Norris über Zusammenhalt. Das ist ein wichtiger Punkt. Sie vertreten die Meinung, dass man in puncto Diebstahl zusammenarbeiten muss. Das Programm Truck Norris ist bereit, auch von anderen Programmen zu lernen. Das Prinzip, für andere Informationen zur Verfügung zu stellen und selbst von anderen Informationen aufzunehmen, kennen wir schon vom Projekt-Cargo.

 

Fazit

Das Problem mit Frachtdiebstählen wird auf vielfältige Weise angegangen. So muss es auch sein, denn die Diebesmaschen sind kunterbunt. Wir haben viele verschiedene Herangehensweisen kennengelernt.

Wichtig ist vor allem die Botschaft, dass das Problem nicht sich selbst, den Fahrern und Speditionen überlassen wird. Die Polizei, die Politik und Unternehmen interessieren sich für Lösungen. Immerhin sind auch viele von dieser Problematik betroffen.

Die Diebe machen sich die offenen Grenzen zu Nutzen. Europa muss daher zusammenarbeiten. Das Projekt-Cargo hat bewiesen, dass das funktionieren kann.

Trotzdem, Sicherheit ist ein heikles Thema. Wir alle wollen Sicherheit. Aber wir wollen nicht jeden Preis dafür zahlen. Man kann in einem Sicherheitswahn leicht Menschen vor die Köpfe stoßen. Ganz ohne Vertrauen geht es nicht. Auch Sicherheit hat seine Grenzen.

Was gibt es noch für Methoden? Habe ich andere, wichtige noch nicht beachtet? Schreibt es gerne in die Kommentare.

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