Brückenbaustellen

(Bild: Sebastian Nagel)

 

Bauarbeiten legen den Verkehr lahm

In diesem Blog gucken wir uns den Zustand deutscher Brücken an. Einige bedürfen der Reparatur und manche sind durch Baustellen oder LKW-Verbote gesperrt. Wie sieht die Zukunft aus?

Im vorherigen Blogbeitrag haben wir uns bereits den desolaten Zustand deutscher Straßen angeschaut: Baustellenstau und geflickte Straßen.

Bei den Brücken begegnen wir ähnlichen Problemen und ähnlichen Lösungen. Hinzu kommt jedoch, dass brüchige Brücken um einiges gefährlicher sind als löchrige Straßen.

Es ist eine spannende Reise von vernachlässigten Brücken, Schlampereien auf Baustellen zu waghalsigen Konstruktionen, die im Wind flattern.

Es bedarf neuer, robuster und sicherer Brücken, die gepflegt und in Stand gehalten werden.

Wie wir dahin gelangen, schauen wir uns in diesem Blog an.

 

Deutschlands Brücken bröckeln

Brücken versetzen der Logistik Beine. So können Menschen und Waren viel schneller über Hindernisse gelangen. Sie spannen sich über Täler und bewahren uns vor beschwerlichen Umwegen. Das heißt, wenn sie halten und alles gut geht.

Das Handelsblatt spricht davon, dass 13.000 Autobahnbrücken repariert werden müssen. Zum Überblick: Im Moment schafft die zuständige Behörde, die Autobahn GmbH, 100 pro Jahr. Das würde 130 Jahre dauern. Hinzu kommen natürlich noch alle Brücken, die während dieser Zeit in einen ähnlichen Zustand fallen.

Sanierungen sind sehr sinnvoll und ermöglichen es, dass zumindest ein Teil der Brücke befahrbar bleibt. Die Talbrücke Rahmene in Lüdenscheid zum Beispiel ist so marode, dass sie abgerissen werden muss. Das Abreißen und Neubauen wird etwa 5 Jahre in Anspruch nehmen. So lange müssen die Autos und LKWs sich durch die anliegenden Ortschaften schlängeln. Die Bürger sind genervt. Doch um die Nerven der LKW-Fahrenden ist es auch nicht besser bestellt. Sie müssen ihre Kolosse durch die winzigen Ortschaften pressen.

So und ähnlich sieht es überall in Deutschland aus.

Die Autobahn GmbH möchte ihre Betriebsamkeit bis 2026 noch weiter ankurbeln und 400 Brücken pro Jahr sanieren. Hochgesteckte Ziele! Immerhin müssen 13.000 Autobahnbrücken und 5000 Brücken im Bundesstraßennetz gewartet werden. Ein straffes Programm. Die Stau- und Baustellensituation wird sich also noch etwas verschärfen in den kommenden Jahren.

Die Gründe für die starke Beanspruchung und den schnellen Verfall der Brücken sieht die Autobahn GmbH in steigenden Zahlen des Verkehrs und speziell des Schwerlasttransports, berichtet die Tagesschau. Die Gründe sind also deckungsgleich mit denen für Straßenschäden. Denn seit den 1980er Jahren hat sich der Verkehr verdoppelt.

Im Jahr 2021 hat die Autobahn GmbH die Verantwortung über die Fernstraßen übernommen. Im ersten Jahr haben sie bereits 4,92 Milliarden Euro für Straßenbau und Reparaturen ausgegeben. Für die nächste Zeit stehen noch mal 2 Milliarden Euro an. Außerdem verspricht die GmbH Zukunftsprojekte für mehr Sicherheit, Service und Baubeschleunigung.

Wir hoffen, dass diese Unmengen an Geldern unsere Brücken sicherer machen. Denn was geschieht, wenn man Brücken ganz sich selbst überlässt, erfahren wir im nächsten Abschnitt.

 

Die Ponte Morandi stürzt ein

2018 stürzte über Val Polcevera in Genua  die Ponte Morandi ein. Davon berichtet die Süddeutsche. Die Brücke wurde 1967 gebaut und seit 1993 nicht weiter beachtet. Ohne gewartet zu werden, rottete und rostete sie vor sich hin. 2018 rissen dann die verrosteten Eisengarne in den Betonbrückenpfeilern und ließen 43 Menschen in den Tod stürzen. 35 Autos und 3 LKWs.

Ein geringer Trost war es, dass Ferien waren und verhältnismäßig wenig Fahrzeuge an diesem Tag fuhren. Es hätte schlimmer kommen können. Dennoch war es schlimm genug, alles zu tun, damit so etwas in Zukunft nicht wieder passiert. 51 Jahre sind keine lange Lebenszeit für eine Brücke.

Alle Warnungen der Baufirma, welche die Brücke baute, wurden von den zuständigen Behörden in den Wind geschlagen und da blieben sie auch unbeachtet hängen. 

Brücken unterliegen einem natürlichen Verfall und müssen regelmäßig gewartet werden.

Wenn diese Pflicht missachtet wird aus Bequemlichkeit, Nachlässigkeit oder um Geld zu sparen, hat das einen unüberschaubaren Preis. Es kostet mehrere Millionen und unbezahlbares Leben.

Eine andere Brücke könnte ihre Tragfähigkeit erst gar nicht unter Beweis stellen, da noch vor ihrer Fertigstellung ein Unfall geschah.

 

Beim Brückenbau stürzen 15 Menschen in die Tiefe

Am 15. Juni 2016 stürzten in Schweinfurt 15 Bauarbeiter in die Tiefe, während der Bauarbeiten an der Schraudenbach Talbrücke. berichtet die Tagesschau. Ein Traggerüst brach, als Beton hinein gegossen wurde.

Die verantwortlichen Ingenieure hatten versäumt, die Tragfähigkeit des Gerüsts zu berechnen. Ob vergessen oder aus Bequemlichkeit, die 3 Ingenieure müssen sich vor Gericht dafür verantworten.

Die 15 Bauarbeiter, die dieser Leichtfertigkeit und Schlamperei zum Opfer fielen, stürzten 20 Meter in die Tiefe; einer stürzte noch tiefer in den Tod. Keiner der Bauarbeiter wird je wieder arbeiten können.

Um einen weiteren Brückeningenieur, der seinen Beruf auf die leichte Schulter nahm und der lieber an der Schönheit seiner Brücke feilte als an dessen Tragfähigkeit und Sicherheit, geht es im nächsten Abschnitt.

 

Wellen auf der Tacoma Narrows Bridge

Als die 853 Meter lange Tacoma Bridge eröffnet wurde, war sie die drittgrößte Hängebrücke der Welt. Hängebrücken haben die Eigenart, dass sie über lange Strecken freischwebende Flächen haben, die nicht durch Pylonen oder Pfeiler gestützt werden. Dadurch sind sie dem Wind ausgesetzt und neigen dazu, sich zu bewegen. Das ist bis zu einem gewissen Grad normal.

Doch was auf der Tacoma Narrow Bridge geschah, war nicht mehr normal, berichtet die Welt. Erst war es ein Spektakel und dann eine Tragödie. In jedem Fall war es peinlich für den Ingenieur Leon Moisseiff.

Der Ingenieur war eher daran interessiert, eine schöne, schlanke Brücke zu bauen, als eine sichere und stabile. Sie wurde jedoch so schlank, gerade einmal 12 Meter, dass es für den Wind kein Problem bedeutete, sie flattern zu lassen. In den Videoaufnahmen wankt die Fahrbahn wie eine Welle und schlägt bis zu 2 Meter aus.

Erst war es eine Attraktion und Leute zahlten Geld, um hinüber zu fahren  und ordentlich durchgeschüttelt zu werden. Irgendwann wurde auch das zu wild und die Brücke wurde gesperrt.

Einen neugierigen Journalisten störte das nicht. Mit seinem Hund auf der Rückbank fuhr er über  die Brücke. An jenem Tag wütete ein besonders heftiger Wind. In der Mitte der Strecke flüchtete der Journalist aus seinem Auto. Den Hund ließ er zurück. In genau diesem Moment brach die Brücke ein.

Die Unbekümmertheit oder Eitelkeit im Brückenbau kann verheerende Folgen haben.

Um all das als Ursachen in Zukunft ausschließen zu können, wäre es doch super, wenn es eine Art Frühwarnsystem gäbe. Gibt es. Die neuen Brücken werden stabiler, langlebiger und intelligenter. Allmählich kommt auch der Brückenbau im 21. Jahrhundert an.

 

Eine Brücke, die ihre Grenzen kennt

Es gibt zwei neue Messmethoden: Structure health monitoring und Weigh in Motion, erfahren wir auf Kistler. Mit Sensoren ist es möglich, das Gewicht eines Fahrzeugs während der Fahrt zu messen und dadurch die tatsächliche Last zu bestimmen, mit der es auf die Brücke einwirkt. Bisweilen ging man beim Brückenbau von Schätzwerten aus. Die neuen Messmethoden ermöglichen ein präziseres Bild.

Dadurch können auch Fahrzeuge, die die maximale Brückenlast überschreiten an der Überfahrt gehindert werden. Kistler geht davon aus, dass solche Begrenzungen oft ignoriert werden und dass dies den Brückenverschleiß enorm beschleunigt.

In Mexiko ist dieses System auf der 226 Meter langen El Carrizo Brücke bereits im Einsatz. Dort werden die Fahrzeuge vorab gewogen und die an der Überfahrt gehindert, die zu schwer sind. Was gut ist, denn die Brücke ist immerhin 198 Meter hoch. Da möchte niemand runterstürzen.

Durch structure health monitoring wird der Zustand der Brücke gemessen. An Schlüsselstellen werden Sensoren angebracht, die Schwingungsveränderungen messen und dadurch Rückschlüsse auf den Materialzustand zulassen. Man kann sich das gut an einem hohlen Metallrohr vorstellen, auf das man schlägt. Der Klang verändert sich, wenn das Rohr einen Riss hat.

 

Erde statt Beton

Ein neues Verfahren im Brückenbau soll den Bau beschleunigen und die Brücken stabiler machen, erfahren wir auf Ingenieur.de. Die Heitkamp Unternehmensgruppe aus Herne hat ein neues Bauverfahren mit Geogittern und Erde ausprobiert. Also Gitter aus Kunststoffpolymeren. Diese werden mit Erde aufgeschüttet und bilden das Widerlager der Brücke, den Brückenpfeiler, auf dem der Brückenüberbau ruht.

Die Bauzeit wird dadurch enorm verkürzt. Denn bisweilen arbeitet man mit Beton und Stahlbetonkonstruktionen. Beton bröckelt und Stahl rostet. Erde bleibt Erde. Und in Sachen Festigkeit steht sie dem Beton wohl in nichts nach.

Die Erde wird angehäuft und durch Druck sogleich verdichtet. Dann kann direkt weitergearbeitet werden. Während der Beton seine Zeit braucht, um richtig auszuhärten. Das zieht den Bauprozess in die Länge. Ummantelt wird das fertige Widerlager trotzdem mit Beton, um das Geogitter vor UV-Licht zu schützen.

Bisher reicht dieses Verfahren nur für Einfeldbrücken aus. Das sind solche, die keinen Stützpfeiler in der Mitte haben. Für sogenannte kleine Brücken. Bei den großen Brücken müssen weiterhin Stahlkonstruktionen und Beton eingesetzt werden. Ein Großteil der Brücken in Deutschland sind aber solche Einfeldbrücken. Daher ist es eine ernstzunehmende Alternative.

Ein Pilotprojekt gibt es bereits auf einer Autobahnbrücke der A3 nahe den Niederlanden.

 

Fazit

Angesichts mancher Behörden, die lieber warten, bis eine Brücke einkracht, ehe sie die Hämmer schwingen lassen, können wir froh sein, über die ganzen Baustellen und Sperrungen.

Zumindest werden unsere Brücken geprüft. Dadurch entsteht ein Mindestmaß an Sicherheit.

Dass das Verkehrsaufgebot und auch der Schwerlasttransport derart angewachsen ist, ist niemandes Schuld und war in den 80ern wohl auch schwierig vorherzusehen. Jetzt geht es darum, in Zukunft andere Brücken zu bauen, die widerstandsfähiger sind und die uns vor ihrem eigenen Einsturz warnen; am liebsten früh genug.

Jetzt Brücken wie vor 40 Jahren zu bauen, macht keinen Sinn, ist teuer, unüberlegt und gefährlich.

 

Wie ist das bei euch? Habt ihr bei der Überfahrt mancher Brücken ein ungutes Gefühl?

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