Tempolimit in Deutschland

(Bild: Shutterstock)

Eine rasante Debatte

In diesem Blog geht es um das Tempolimit von 130 km/h, das man für deutsche Autobahnen vorsieht.

Wir schauen uns die Vorteile eines Tempolimits an: Wirtschaftlich, ökologisch und sicherheitstechnisch.

Dafür lassen wir einen Blick in die Geschichte schweifen, schauen uns die ersten Tempolimits an und warum sie immer wieder aufgehoben wurden, bis heute.

Wer möchte es nicht und warum nicht?

 

Länder ohne Limit

Die meisten Länder haben Tempolimits und fahren bisher sehr gut damit. Wer zum Beispiel zuletzt in Holland war, wird sich daran erinnern, wie gemütlich die Autokolonnen über die Autobahnen fließen. Wenig Stau, wenig Stocken.

Neben Deutschland ist der einzige Ort in Europa, wo es kein Tempolimit gibt, die Isle of Man in der Irischen See, zwischen England und Irland. Die Insel ist bekannt für die “Tourist Trophy”, ein waghalsiges Motorradrennen, das durch die kurvenreichen Küstenstraßen führt.

In den 100 Malen, die es bisher stattgefunden hat, fanden 250 Menschen ihren Tod, erfahren wir auf motorsport-magazin.com.  Angeheizt durch das Rennsportimage verzichtet auch die dortige Straßenverkehrsordnung auf Geschwindigkeitsbegrenzungen. Eine Imagepflege, die aufgrund zahlreicher Verkehrstoter vielleicht bald ein Ende findet, berichtet sueddeutsche.de.

Außerhalb Europas gibt es dort keine Tempolimits, wo die Straßenzustände flottes Fahren ohnehin nicht zulassen: Somalia, Afghanistan oder Mauretanien, berichtet sueddeutsche.de in einem anderen Artikel.

Unsere Autobahnen eignen sich hervorragend für hohe Geschwindigkeiten. Wie treffend, dass wir gleich die passenden, PS-starken Autos dazuliefern. Hier scheint alles möglich zu sein.

 

Deutschland, das Land der unbegrenzten Geschwindigkeiten

Diesen Ruf hat Deutschland zweifellos. Geschwindigkeitsbegeisterte nehmen gerne einen Weg auf sich, um auf deutschen Autobahnen ihre Fahrzeuge auszufahren. Überall geht das natürlich nicht.

Auf etwa 45% der deutschen Autobahnen gibt es Geschwindigkeitsbegrenzungen, erfahren wir auf sueddeutsche.de. An gefährlichen oder unübersichtlichen Abschnitten.  Weitere Teile werden lahmgelegt durch Staus und Baustellen.

Auf den verbleibenden Abschnitten gibt es eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Eine Empfehlung also, an die sich der Großteil aller Deutschen sogar hält. Die wenigsten fahren tatsächlich schneller. Es scheint, als würden die meisten auch nicht mehr brauchen. Denn laut Umfragen ist die Mehrheit für ein Tempolimit, erfahren wir auf statista.com.

Das Tempolimit scheint jedoch mehr zu sein als eine Entscheidung, welche die Bundesbürger treffen können. Denn diese Entscheidung berührt die Wirtschaft, den Fortschritt, die Politik, die Freiheit und letztlich sogar den Tod.

Um das zu verstehen, werfen wir einen Blick in die Geschichte.

 

Stop-and-go für das Tempolimit

Die ersten Tempolimits in Deutschland gab es um 1910 herum: 15 km/h innerorts. Vielmehr ließen die Pflasterstraßen, die zum Teil noch von Pferdekutschen gekreuzt wurden, nicht zu. Über die Geschichte der Straße haben wir bereits in einem anderen Blog geschrieben.

Nach dem 1. Weltkrieg konnte dann eine gut geölte Kriegsmaschinerie auf den Bau von Automobilen umgerüstet werden. Aus Panzern und Bomben wurden Autos und diese zur Massenware. Sie wurden schneller, Autobahnen entstanden, der Rennsport wurde staatlich unterstützt und mit ihm eine Faszination für die Geschwindigkeit befeuert.

1934 hoben die Nazis das erste Mal das Tempolimit gänzlich auf. Hintergrund war: Die Wirtschaft anzukurbeln. Keine KFZ-Steuer, keine Geschwindigkeitsbegrenzungen, berichtet motor1.com. Nichts, was einen zurückhält.

Pünktlich zum Kriegsbeginn wurden Ressourcen und Menschenleben wieder wichtig und Tempobegrenzungen wieder eingeführt: Außerorts 80 km/h und innerorts 40 km/h. Die Folge zu vieler Unfalltote.

Nach dem Krieg und im Zuge des deutschen Wirtschaftswunders sollte das Autofahren wieder attraktiver werden, um die Wirtschaft weiter anzukurbeln. Abermals wurde 1953 das Tempolimit aufgehoben, inner- wie außerorts.

Zu viele Verkehrstote erzwangen es jedoch, die Entscheidung einzuschränken, innerorts.

1972 wurde auch das Tempo außerorts befristet auf 100 km/h. Gründe hierfür: Die zahlreichen Verkehrstoten und die nahende Ölkrise.

1974 wurde die Richtgeschwindigkeit für die Autobahnen eingeführt.

Die Argumente in diesem wilden Hin und Her sind immer gleich. Für ein Tempolimit: Verkehrstote und Ressourcenschonung. Gegen ein Tempolimit: Autofahren attraktiv machen und Wirtschaft ankurbeln.

In der heutigen Zeit kommen noch weitere Argumente hinzu.

 

Auf der Überholspur mit dem Tempolimit

Heute argumentieren wir neben den üblichen Verdächtigen noch mit anderen Vorteilen:

Weniger CO²: Tempo drosseln auf 130 km/h, brächte uns 1,9 Millionen Tonnen weniger CO², erfahren wir auf deutschlandfunk.de. Wenig Aufwand, großer Effekt. Die große Einsparung käme vor allem dadurch, dass der Verkehr geschmeidiger fließen würde. Schöner Nebeneffekt also: Weniger Staus.

Weniger Sprit: Bei hohen Geschwindigkeiten sind Luft- und Rollwiderstände höher. Das bedeutet, das Auto muss mehr leisten und verschleudert mehr Sprit. Würde man das Tempo auf 100 km/h verringern, ließe sich Sprit in Höhe von bis zu 4,2 Milliarden Euro einsparen.

Weniger Lieferkettenkosten: Weniger Staus, geringere Lieferkettenkosten. Denn es wird weniger verpulvert für unnützes Feststecken. Immerhin 1 Milliarde Euro jährlich,  erfahren wir auf transport-online.de.

Leichtere Fahrzeuge: Fahrzeuge, selbst E-Fahrzeuge, könnten leichter gebaut werden, wenn sie nur für eine Maximalgeschwindigkeit von 130 km/h gebaut würden: Kleiner, leichter und emissionsarmer, erfahren wir auf logistra.de.

Weniger Lärm: Je schneller ein Fahrzeug ist, desto mehr reiben dessen Reifen am Asphalt, desto größer ist der Lärm, erfahren wir auf quarks.de. Bei einer Geschwindigkeitssteigerung von 130 auf 140 km/h wäre es 18% mehr Lärm. Ein Wert, der sich steigert, je schneller gefahren wird.

Die Vorteile nützen natürlich nicht jedem.

 

Wen bremst das Tempolimit aus?

Die Gegner sind natürlich die, die Verlustgeschäfte durch die Einsparungen hätten: Die Automobilindustrie.

Zu den beliebten Gegenargumenten gehören: Die Autobahnen zählen zu den sichersten Straßen überhaupt! Sicherer als Landstraßen. Warum sollte man das Tempo drosseln?

Es ist allerdings schwierig, Autobahnen, Schnellstraßen und Straßen innerhalb geschlossener Straßen miteinander zu vergleichen. Auf der Autobahn gibt es keine spielenden Kinder, die aus dem Nichts kommen, keine Hunde oder keine Fahrradfahrer. Es gibt keinen Gegenverkehr, keine zackigen Kurven und keinen Traktor oder Mähdrescher, der hinter einer unübersichtlichen Kurve lauert.

Obwohl all diese Gefahren auf Autobahnen nicht sind, geschehen dort genug Unfälle. Es gibt noch mehr Gegenargumente, die allesamt etwas konstruiert erscheinen. Dennoch sind sie mächtig, weil sie von genug einflussreichen Menschen aufgeblasen werden.

Und an diesen mangelt es in der Debatte nicht:

Spitzenpolitiker und Regierungsbeamte haben ein besonderes Faible für die Autoindustrie. Sie kommen von dort oder gehen nach ihrer Amtszeit gerne dahin zurück, berichtet sueddeutsche.de.

Die Autoindustrie sei überhaupt erst so mächtig geworden, weil im Laufe der Jahre immer wieder Politiker Hürden aus dem Weg geräumt hätten. Gerade CDU und SPD gehören zu den Wegbereitern, berichtet die sueddeutsche.de in einem anderen Artikel.

So werden seit Jahren erfolgreich Auflagen für eine Verbesserung des Klimas bekämpft und geschlagen. Seinen Gipfel hatte das Ganze mit dem Dieselskandal, der für die Konzerne selbst kaum Folgen hatte.

Diese bisweilen unbesiegbare Allianz wird das Tempolimit wohl noch länger fernhalten. Die wirtschaftlichen Interessen siegen wieder mal über Verantwortung, Klimaschutz und Verkehrssicherheit.

 

Fazit

Es gibt in Deutschland noch andere Wirtschaftszweige als die Automobilindustrie. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich für diese stark zu machen.

Gerade unsere LKW-Fahrer:innen könnten von einer sicheren, leiseren und staufreien Autobahn profitieren und mit ihnen wir alle.

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