Die alte Seidenstraße

(Bild: Sebastian Nagel)

 

Entstehung, Logistik und Niedergang

In diesem Blogartikel bringen wir dir die alte Seidenstraße zurück. Sie gilt als erste große und bald gut organisierte Warentransportstraße der Welt.

Viele logistische Probleme, die automatisch aufkommen, wurden gelöst. Es gibt erste Rastplätze, Zwischenhändler und Wechselkurse.

Wenn der Warentransport irgendwo seine Wiege hat, dann auf den vielen Kilometern und weit verzweigten Wegen der Seidenstraße.

Sie verhalf zwei einander fremden Kontinenten, sich anzunähern. Sie erzählt vom großen Drang und Verlangen, Dinge von fremden Orten haben zu wollen. Obwohl dazwischen eine Wüste und das größte Hochgebirge der Erde liegen.

Letztlich erzählen wir vom Untergang und wie sie vom Fortschritt überflügelt wurde.

Kamel gesattelt, die Karawane zieht weiter.

 

Über die Seidenstraße

Laut Wissenschaft.de ist sie die älteste Handelsverbindung der Erde und das längste Wegenetz der vormodernen Zeit. Natürlich gab es schon immer Handel unter den Völkern und auch über längere Distanzen. Doch die Seidenstraße ist die erste bedeutende Handelsstraße, auf der sich über die Jahre eine ausgeklügelte Logistik entwickelt hat. Wie ein Fluss ließ sie entlang ihres Verlaufs Orte entstehen und Karawansereien, die wie die Vorstufen von Sanifair erscheinen.

Es ist keine einzelne Straße. Obwohl der Name das vermuten lässt. Ihren Namen erhielt sie erst 1877 durch den deutschen Geographen Ferdinand von Richthofen. Er bestand darauf, sie immer “Seidenstraßen” zu nennen. Denn es ist ein Netz aus vielen verzweigten Karawanenstraßen, ein Geflecht aus Haupt- und Nebenstraßen. Aber hauptsächlich teilen sich die ganzen Adern in einen Nord- und einen Südstrang, welche die lebensfeindliche Taklamakan-Wüste zu umgehen versuchen und hinter ihr in Kaschgar wieder zusammenführen.

Es gibt Ausläufe nach Indien, Japan und ans Rote Meer. Das Wegegeflecht hat eine Gesamtlänge von etwa einer halben Erdumrundung, also 20.000 Kilometern. Das erfahren wir in einer Ausgabe von Geo-Special Die Seidenstraße (leider erhält man keinen kostenlosen Einblick in die Ausgabe). Ihr Hauptweg geht nach Europa und endet am damaligen römischen Reich an der Levante. Das sind die Länder um Libanon, Israel, Palästina, Syrien, Türkei, Ägypten und Zypern. Von dort konnten die Waren über das Mittelmeer nach Europa verschifft werden.

Die Strecke von Ost nach West ist 6400 km lang.  Man durchläuft dabei ein quälendes Klimaspektrum von +40°C bis -20°C. Es geht durch die unterschiedlichsten Gebiete: Steppen, Wüsten und Hochgebirge. Durst, Hitze, Kälte, die Höhenkrankheit und Banditen sind den Karawanen auf den Fersen. Die Wege, die durch die Ränder der Taklamakan-Wüste führen, werden auch als Todespiste bezeichnet. Insgesamt dauerte die Reise bis zum Mittelmeer und zurück 6-8 Jahre.

Was für eine lange Reise. Aus heutiger Sicht unvorstellbar. Wie konnte sie sich trotz all der Strapazen so entwickeln? 

 

Die ersten Trampelpfade der Seidenstraße

Der Bau der Straße wurde nicht beschlossen. Es gab auch keine Einweihung, die eine fertig geteerte Straße mit einem roten Banner eröffnete. Die Straße wuchs über viele Jahrhunderte. Ihre erste große Bedeutung erlangte sie jedoch erst etwa 100 Jahre v. Chr.

Bereits 327 v. Chr. gab es einen Feldzug von Alexander dem Großen. Er benutzte die Wege, um Teile Persiens, Usbekistans und Afghanistans zu erobern.

139 v. Chr. suchten die Chinesen Verbündete im Kampf gegen die Xiongnu, einem Volk von Reiternomaden. Davor hatte man bereits erfolglos versucht, sich mit dem Bau der riesigen Mauer zu schützen. Der Gesandte, der ausgeschickt wurde, hieß Zhang Qian. Doch statt Verbündeter brachte er Handelsbeziehungen mit. An einer Freundschaft mit den Chinesen war niemand interessiert, aber an deren Waren durchaus. Der Gesandte gilt als der Vater der Seidenstraße. Jetzt erst kam der Handel ins Rollen.

Etwa 100 Jahre v. Chr. kämpfte sich die erste kleine Karawane über die Straße. Noch ohne klares Ziel. Beladen mit glänzender Seide.

Im Laufe der Zeit entstanden entlang der Strecken Karawansereien. Das waren gesicherte und ummauerte Herbergen. Dort konnten die Tiere gefüttert und sogar ausgetauscht werden. Dadurch mussten sie weniger Proviant mitschleppen und hatten auf ihren Rücken mehr Platz für Waren.

Darüber hinaus gab es noch feste Zeltplätze an Oasen, Klöster und Städte, wo halt gemacht werden konnte. Es war also durchaus möglich, irgendwo einzukehren.

Doch vor manchen Gefahren half selbst ein voller Magen und ein frisches Kamel nichts.

 

Die Gefahren der Reise

Eines ist klar. Die Reise dauerte lange, war beschwerlich und sehr gefährlich. Es war ein Abenteuer, erfahren wir auf Planet Wissen.

Es gab endlose Steppen und Wüstenabschnitte, die durchquert werden mussten. Mit der brennenden Sonne auf den Schultern und staubtrockenen Kehlen. Wenn das Wasser zur Neige ging, wurde es gefährlich. Die Taklamakan-Wüste ist immerhin die zweitgrößte Sandwüste der Erde. Die Dünen dort, die man zu erklimmen hat, sind bis zu 100 Meter hoch, manchmal sogar höher. Sie sind nicht nur hoch, sondern auch sehr beweglich. Sie wandern und machen so die Orientierung sehr schwierig.

Nach der Wüste kamen die Pässe des Pamir, eines Hochgebirges, die über 4000 Metern hoch sind. Dort hätte man dagegen gut auf Wasser verzichten können. Es gab reißende Flüsse, die mit der gesamten Karawane, die manchmal aus bis zu tausend Tieren bestand, durchquert werden mussten.

Ein Pass führte über den Himalaya, der Nathu La. In diesen Höhen warteten ganz andere Gefahren auf die Karawanen, die inzwischen ihre Kamele gegen Yaks eingetauscht hatten. Denn die Kamele ertrugen die dünne Luft dort oben nicht.

Neben der Gefahr abzurutschen und in die Tiefen zu stürzen, konnte einen auch die Höhenkrankheit überfallen. Sie kommt ab einer Höhe von 2000 Metern, wenn man sich nicht ausreichend akklimatisiert hat. Dann erwarten einen schwere Kopfschmerzen, die schlimmstenfalls in Ödemen enden. Kein Appetit, Müdigkeit, Schwindel und Erbrechen gehen damit einher. Also Dinge, die man auf einer schwer begehbaren Hochgebirgspassage absolut nicht brauchen kann.

Daher tauschte man meist nicht nur die Yaks, sondern gleich die ganze Mannschaft aus. Man verkaufte die gesamte Ware einfach weiter, damit diejenigen sich in der Höhe abplagen, die dort oben aufgewachsen sind. Auf Planet Wissen erfahren wir, dass die Waren immer nur über Teilabschnitte gingen. Durch die vielen Zwischenhändler stieg der Preis natürlich enorm. Es war aber gut für den Transport. So konnten sich die Händler auf ihre Teilabschnitte konzentrieren.

Sandstürme, Sturzfluten, Matschlawinen und Schneegestöber. Temperaturen zwischen -20°C im Winter und 40°C im Sommer. Und zu allem Überfluss lauern auch noch Diebe an den Ecken. Manche Arme der Seidenstraße mussten aufgrund zu vieler Überfälle sogar aufgegeben werden. Das Chitral-Tal in Richtung Kaschgar zwischen Afghanistan und Pakistan zum Beispiel.

Trotzdem, der Drang war groß, Geschäfte zu machen und fremde Genüsse zu kosten. Man muss sich am Ende fragen, welche Ware, welcher Gewinn oder Genuss einen solchen Aufwand rechtfertigt, ein solches Risiko für Leib und Leben?

 

Die Waren

Hauptsächlich ging es um die in Europa sehr begehrte Seide. Auf die hatte China lange Zeit ein Monopol. Sonst wusste niemand, wie dieser Stoff hergestellt wurde. Lange Zeit nahm man an, Seide komme von Bäumen wie Baumwolle. Die Chinesen taten ihr Bestes, dieses Geheimnis auch zu hüten. Wenn man das Geheimnis verriet oder Seidenraupen außer Landes brachte, kostete das Kopf und Kragen. Trotzdem war Seide nicht das Einzige, was transportiert wurde. Auch wenn die Straße dadurch ihren Namen erhalten hat.

Jade wurde transportiert, Felle, Teppiche, Keramik, Zimtrinde, Rhabarberwurzeln, Lacke, Gewürze und Tee. Selbst Menschen wurden gehandelt. Es war kein einseitiger Verkehr. In China begehrte man auch Dinge. Und diese ließ man sich aus entgegenkommender Richtung herschaffen.

Beliebte Pferde aus dem Fergana Tal in Usbekistan, die sogenannten Himmelspferde, ließen sich die Chinesen bringen. Außerdem Schmucksteine, tiefblauen Lapispazuli, schwarzgrünen Malachit, Korallen und Bergkristalle. Kohlrabi, Knoblauch, Weihrauch, Hirschgeweih, Rizinusöl und Elfenbein. Die Chinesen liebten unseren Spinat. Sie nutzen ihn gegen Vergiftungen und einen ausgeprägten Kater.

Auch Gedankengut, Ideen, Religionen und Erfindungen flossen über die Seidenstraße. Das erste geschöpfte Papier kam aus China. Und einige Jahre später, im 11. Jahrhundert, sogar der erste Geldschein. Das Spinnrad, der Kompass, Schwarzpulver und selbst der Buchdruck (gute 400 Jahre vor Gutenberg) kam über die Seidenstraße von China nach Europa.

Wie wurden die ganzen Waren bezahlt? Viele Kulturen und Religionen prallten aufeinander. Eine Börse oder Wechselkurse gab es noch nicht. Papiergeld gab es auch nur in China. Manche Waren wurden wieder gegen Waren getauscht. Man bezahlte mit Münzen oder sogar mit Muscheln, mit Kaurimuscheln. Weiße glatte Muscheln, die ein bisschen aussehen wie geöffnete, weiße Pistazien mit Zähnen.

Auf manche Mitbringsel hätte Europa aber auch gut verzichten können. Denn 1346 befand sich auch die Pest im Reisegepäck. Sie gelangte von der Mongolei über die Seidenstraße nach Europa und vernichtete dort fast die Hälfte der Bevölkerung.

Sie ist einer der zahlreichen Gründe, warum die Seidenstraße irgendwann an Bedeutung verlor, die Wege von Sand aufgefüllt oder von Gerölllawinen verschüttet wurden.

 

Der Niedergang der Seidenstraße

So schleichend, wie sie entstand, verschwand sie auch. Man fand bessere und schnellere Wege. Und die Bestehenden der Seidenstraße wurden wieder beschwerlicher.

Zunächst versiegten die Flüsse, die sich durch die beiden Wüsten zogen, durch die Taklamakan und Lop. Dadurch verschwanden wichtige Trinkwasserstützpunkte und Lagerstätten. Oasen trockneten aus.

1275 herrschten die Mongolen im Süden Chinas. Durch sie nahm die Straße nochmal an Tempo und Sicherheit zu. Die Mongolen, als erfahrenes Reitervolk, errichteten ein dichtes Netz an Pferdestationen. Dort konnten Reit- und Lasttiere ausgetauscht und Proviant aufgefüllt werden. 1367 war ihre Herrschaft jedoch vorbei. Ohne ihre Protektion nahmen auch die Raubüberfälle wieder zu. Da die Straßen unsicherer wurden, nahm man Umwege über das Meer.

Bevor die Mongolen abdankten, hinterließen sie Europa jedoch einen riesigen schwarzen Schatten, berichtet Fokus. Die Pest. Sie wütete von 1346-1353. Yersinia Pestis heißt der Tod bringende Krankheitserreger, der bequem auf den Ratten nach Europa reiste. Durch die zahllosen Toten schwand auch das Interesse und die Kaufkraft in Europa, chinesische Waren zu ordern. Dort war man mit dem blanken Überleben beschäftigt.

Zwischen 1405 und 1433 gab es vermehrt Schiffexpeditionen, wo neue See- und Handelswege erkundet wurden. Die Chinesen suchten neue Wege und entwickelten dabei ihre Schiffe bedeutend weiter. Die entstandene chinesische Dschunke fuhr sicher und schnell.

Den tödlichsten Schlag versetzte jedoch Vasco da Gama, der portugiesische Seefahrer, als er 1498 den Seeweg nach Indien entdeckte und so Europa einen Seeweg nach China lieferte. Auf Schiffen konnte man viel mehr transportieren und es kostete weniger Muskelkraft und Kamelstärke. Auch die Räuber konnten so umgangen werden. Die Glanzzeit der Piraten sollte erst etwa hundert Jahre später kommen.

Das Aus der Seidenstraße. Die Wege versandeten allmählich, die Karawansereien verwaisten und der rege Verkehr durch die tödliche Taklamakan-Wüste ebbte ab.

Die Seidenstraße dankte ab. Vorerst.

 

Fazit

Es ist kaum vorstellbar, welche Reise oft hinter einer Ware steckt. Auf wie vielen Kamelrücken sie wackelte, durch wie viele Hände sie ging, wie oft auf und ab, wie viele Anhöhen hinauf, wie oft sie wieder und wieder bezahlt wurde.

Heute hat die Logistik dafür gesorgt, dass uns die Welt immer kleiner vorkommt und jeder einzelne noch so weite Winkel erreichbar ist. Einen ersten Schritt dahin, die Ferne zu uns zu bringen, hat die Seidenstraße geschafft.

Wir sehen, dass der Wunsch nach bestimmten Waren und Genüssen und der Wille zu verkaufen, die Seidenstraße als riesiges Projekt vorangetrieben hat. Es ist Aufgabe der Logistik, diesen Wunsch nach dem Exotischen zu erfüllen. Und in dieser Aufgabe wird sie seit ihrer Entstehung immer besser und leistet einen kometenhaften Aufstieg.

Die Logistik ließ sich noch nie wirklich aufhalten. Trotz großer Strapazen und Gefahren ging man immer wieder den Weg über die Seidenstraße.

Gerade wird eine neue Seidenstraße gebaut. Um China wieder anzubinden an den Welthandel. Für sie sind etwa 1 Billionen Euro angesetzt. Ein Teil des Geldes wird dafür verwendet, alte Wege wieder begehbar zu machen. Natürlich wird es keine Kamele mehr geben. Dafür moderne Häfen, Flugrouten und LKW-Highways.

 

Gibt es logistische Themen der Vergangenheit, über die ihr gerne mehr wissen wollt? Schreibt es gerne in die Kommentare.

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