Truckerstreik auf der A5

(Bild: Sebastian Nagel)

 

Streik für Lohn und faire Behandlung

In diesem Blog erfährst du etwas über den Truckerstreik in Gräfenhausen auf dem Rastplatz an der A5. Dort forderten 66 Fernfahrer ihren Lohn, den der Spediteur ihnen nicht auszahlen wollte.

Wir fassen den Streik nochmal zusammen und gucken uns vor allem die Hintergründe an.

Ausbleibende Löhne und ungerechte Arbeitsbedingungen setzten den Streik in Gang.

Große Medienpräsenz erlangte der Streik aber erst, als der Spediteur Lukasz Mazur sich dazu hinreißen ließ, die LKWs mit einem engagierten Räumkommando, namens Rutkowski Patrol, zu kapern.

Wir schauen uns alle hinterhältigen Manöver des Spediteurs an und werfen einen Blick auf andere Verbrechen, die die Rutkowski Patrol bereits verübt hat.

Wichtiger aber als die Verbrecher ins Licht zu zerren, ist, die Helden zu beleuchten. Und davon gab es einige. Die Unterstützung innerhalb der Bevölkerung war groß. Doch es gab einen Mann, der sich ganz besonders diesem Kampf um unzumutbare Arbeitsbedingungen für LKW-Fahrer verschrieben hat.

 

Schilder hoch und Mund auf!

 

Der Streik

Man arbeitet und wird dafür entlohnt. Eine simple Rechnung. Nicht für alle. Die Fernfahrer aus Usbekistan und Georgien wurden zum Teil seit zwei Monaten nicht mehr bezahlt. Trotzdem arbeiten sie rund um die Uhr und haben ihre Familien seit Monaten nicht gesehen. Das polnische Unternehmen, das ihnen den Lohn verweigert, heißt Luk Maz & Agmaz und ist eine Unternehmensgruppe aus der Nähe von Krakau.

Nachdem das Gehalt ausblieb, entschieden sich die Fahrer zu einem Streik. Manche LKWs, die die Fahrer am 18. März auf der Raststätte in Gräfenhausen abstellten, enthielten noch Waren, auf die die Endkunden dringend warteten. Auf diesem Rasthof würden die Fahrer sechs Wochen bleiben, gebeutelt von leeren Versprechungen, Einschüchterungsversuchen und Ungewissheit. Sein Ende finden, würde der Streik erst am 28. April.

Die Fahrer schrieben sich, die Summen, die ihnen noch fehlten mit Klebeband auf die Planen ihrer Laster, sehen wir in einem Ausschnitt von Hessenschau Panorama. Schachmatt schreien die Streikenden in Chören, als die Kameras da sind. Das richtet sich an den Spediteur Lukasz Mazur. Er ist in die Enge getrieben und es gibt keinen Zug, der ihm noch bleibt. Die Flaggen der beiden Nationen werden in die Kamera gehalten.

Was hat diese Situation verursacht?

 

Der letzte Tropfen

Geld lässt einen über viele Strapazen hinwegsehen. Wenn man es dann endlich in den Händen hält, sich selbst und seine Familie versorgen kann, sich einen vollen Tisch erarbeitet hat, ist vieles vergessen. Doch wenn kein Geld kommt, wirken die Strapazen, die man dafür durchleiden musste, doppelt schlimm. 

Geld bekamen die Fernfahrer bereits seit zwei Monaten nicht. Doch das war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Viel mehr war im Argen.

Das Geld, das die Fahrer für die tägliche Verpflegung bekamen, war viel zu wenig. Die Fahrer waren zum Teil über Monate im Einsatz, ohne je woanders zu schlafen als in ihrem Truck. Überdies war die Bezahlung schlecht. Doch selbst davon zwakte der Speditionsleiter noch was ab für Reparaturen an den Fahrzeugen und andere scheinheilige Gründe.

Das klingt so ganz anders als in der Jobbeschreibung der Unternehmensseite von Agmaz. Dort ist die Rede von einem guten Verdienst, festen Arbeitszeiten und stabilen Arbeitsbedingungen. Ziemlich heiße Luft. Bei einer Sache ist die Beschreibung jedoch zutreffend: Herausfordernd ist der Beruf allemal.

Ursprünglich wollten die Fahrer nur ihren Lohn einfordern und für einen respektvolleren Umgang demonstrieren. Keine weit hergeholten Forderungen. Nach dem Streik jedoch und nach allen hinterhältigen Touren, die Lukasz Mazur gefahren ist, sind sich die meisten einig, einen neuen Arbeitgeber finden zu wollen.

Wir schauen uns an, wie der Spediteur versucht, mit dem Streik umzugehen.

 

Mazurs Konfliktmanagement

Agmaz ist natürlich nicht das einzige Unternehmen, dass ihre Fahrer ausbeutet. Aber es ist eben das Unternehmen, das Pech hatte, voll ins Rampenlicht zu geraten und besonders schlecht mit der Situation umgegangen zu sein.

Mazur versuchte so gut wie alles, um den Zahlungen zu entgehen. Den ersten Streiks, die in Italien und der Schweiz stattfanden, machte er leere Versprechen, bis sie sich auflösten. Als dann eine größere Gruppe in Gräfenhausen auftrat und sogar mit einem Vermittler aufwartete, ließ Mazur durch seinen Anwalt ausrichten, dass alle Löhne bezahlt seien und es keine Schulden gäbe, berichtet die FAZ. Die Konten der Fahrer blieben jedoch leer und somit blieben sie auch auf dem Rastplatz.

Da das alles nicht fruchtete, entschied sich Mazur für eine neue Strategie: Einschüchterung und Gewalt. Er besorgte sich eine höchst zweifelhafte, selbsternannte Detektei, um die Fahrer einzuschüchtern und sich deren Wagen zu schnappen. Die Fahrer hätten damit kein Druckmittel mehr gegen den Spediteur gehabt. Hier war jedoch die Polizei rechtzeitig vor Ort und konnte die Gruppe festnehmen.

Auch nachdem Mazur selbst festgenommen wurde, gab er nicht auf. Er drohte mit Anzeigen und versuchte die Gehälter nicht vollständig zu bezahlen. Doch die Fahrer harrten aus, bis der letzte Cent bezahlt wurde. Selbst die Rutkowski Patrol konnte sie von ihren Zielen nicht abbringen.

 

Rutkowski Patrol, Detektei ohne Lizenz

Als letzten Ausweg versuchte Lukasz Mazur, die LKWs gewaltsam an sich zu bringen. Zu diesem Zweck engagierte er einen Detektiv, der in ganz Polen und auch im Umland “ermittelt” und sich auf “Rückholaktionen” von Menschen und Fahrzeugen spezialisiert hat. Der “Detektiv” Krzysztof Rutkowski und seine Männer sind bekannt in Polen, da ihre “Einsätze” im Fernsehen übertragen werden. Mazur wird also genau gewusst haben, was für eine Truppe er sich da anleiert.

Am 7. April kamen 18 Männer der Detektei und Mazur selbst zum Rastplatz. Wie Detektive sahen die Männer jedoch nicht aus. Sturmhauben, schusssichere Westen und eine selbstgebastelte Marke um den Hals. Sie kamen mit einem gepanzerten Fahrzeug und mit weiteren, die mit Sirenen bestückt waren. Das Problem bei dieser Detektei ist nur, dass sie überhaupt keine Lizenz mehr hat. Die wurde ihr längst aberkannt.

Die sogenannte Rutkowski Patrol versuchte, die Fahrer gewaltsam aus den LKWs zu zerren. Die LKW-Fahrer verhakten sich jedoch zu einer Menschenkette. Sie hielten stand, bis die Polizei kam und die Gestalten abführten. Diese müssen sich jetzt wegen Störung einer Versammlung, Landfriedensbruch, Bedrohung, Nötigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung verantworten.

Die Rutkowski Patrol steht sehr unter Verruf, da sie bereits Menschen entführt hat, berichtet Hessen Schau. 2012 versuchten sie in Berlin eine Frau zu entführen. In Tschechien und Norwegen gab es bereits ähnliche Fälle.

Eine höchst zweifelhafte Welle der Gewalt. Doch sie brandet an der Entschlossenheit der Fahrer und der Unterstützung der Polizei. Wir schauen uns an, wer die Fahrer noch unterstützt hat.

 

Unterstützung gab es von vielen Seiten

Eine gute Sache hatte der Einsatz der Rutkowski Patrol, sagt Edwin Atema, Verhandlungsführer der Streikenden im Interview der Frankfurter Rundschau, die Unterstützung wurde danach größer und Mazur stand in einem sehr schlechten Licht da.

Viele Menschen erklärten sich solidarisch mit den Streikenden. Politiker waren dort und Bürger brachten Lebensmittelspenden. Auch von Verdi, Faire Mobilität und DGB waren Sprecher da. Autos hupten als Zeichen ihrer Unterstützung. Ein Arzt fuhr regelmäßig vor und untersuchte die Fahrer. Auch eine nahegelegene Arztpraxis bot kostenlose Untersuchungen an. 

Die Tatsache, dass Mazur zu solchen Mitteln greife, zeigt Atema, wie sicher sich der Spediteur in seinem System fühlt, wie unantastbar. Gemeint ist das System der Ausbeutung, das viele Fahrer aus Osteuropa trifft. Das System ist es gewohnt, dass diese Fahrer kaum Rechte haben und auch keine Ansprüche. Spediteure wie Mazur sind es gewohnt, dass man die Fahrer übervorteilen kann. Einschüchterungen und Gewalt, so Atema, seien nichts seltenes in diesem Geschäft. Bisher hat das ja auch gut funktioniert. Doch diesmal taten sich Fahrer zusammen und machten ihre Ansprüche geltend.

Atema lobte die Entschlossenheit der Fahrer in einem Fernsehinterview der Hessenschau. Er sagt, diese Fahrer, und zeigt auf die Streikenden, ändern die Industrie. Dabei war Atema selbst einer der entschlossensten Unterstützer. Er war 10 Jahre lang LKW-Fahrer, bis er dann Jura studierte und sich in der niederländischen Gewerkschaft FNV aktiv für die Interessen ausgebeuteter Fahrer einsetzte. Die Gewerkschaft konnte bereits einige Erfolge verbuchen und jetzt einen weiteren dazu zählen.

Er spricht im Interview über die oftmals sehr schwere Position der Fahrer. Sie seien im höchsten Maße abhängig von ihrem Arbeitgeber: Geld und Arbeitserlaubnis. So schnell können sie sich nichts Neues suchen. Atema nennt das eine Form des Menschenhandels. Er betont daher, wenn Fahrer streiken, muss die Situation sehr schlimm und die Fahrer sehr entschlossen sein.

Atema sagt, die Masche, die Mazur bei den Fahrern benutzt, sei ihm bereits bekannt gewesen: Scheinselbstständigkeit, daher keine Krankenversicherung, zu geringer Lohn, von dem aus irgendwelchen Gründen immer wieder etwas abgezogen wird und die Fahrer leben in ihren Wagen. Wenn sie nicht mehr funktionieren, werden sie einfach ausgetauscht.

Wir haben ein paar Bösewichter, doch vor allem eine ganze Menge Helden. Wie ging das alles zu Ende?

 

Abspann

Frankfurter Rundschau berichtet, dass insgesamt 300.000 € an Löhnen erkämpft wurden. Mazur hat sich verpflichtet, alle fehlenden Zahlungen auf die Konten der Fahrer zu überweisen und keine rechtlichen Schritte gegen diese zu unternehmen.

Wieso nicht bezahlt wurde, finden wir leider nicht heraus. Ob Mazur dachte, er komme damit durch? Vielleicht hat es auch schon einige Male in der Vergangenheit funktioniert.

So eine Ausbeutung kann nur geschehen, wenn viele mitmachen. Wenn die Firma Aufträge bekommt. Mazur hat eine Flotte von 600 Fahrern. Zum Großen Teil fährt er in Deutschland. Da müssen ein paar große Unternehmen dabei sein. Ikea, DHL, Mercedes und VW, zählt Mazur zu seinen Kunden, berichtet die Frankfurter Rundschau.

Die Unternehmen selbst streiten jede wissentliche Zusammenarbeit mit Agmaz jedoch ab. Obwohl sich Mazur, seine Fahrer und einige Gewerkschaften in diesen Punkten ausnahmsweise einmal einig sind.

Atema hält den Unternehmen allerdings zu Gute, dass es durchaus sein könne, dass Auftraggeber nicht immer einen Überblick über die gesamte Lieferkette haben. Diese sei zum Teil undurchsichtig.

Der bittere Nachgeschmack. Mazur hat nicht etwa bezahlt, weil er einsieht, dass seine Fahrer das Geld verdient hätten. Der Druck einer Firma wurde groß, die ein ganz bestimmtes Teil aus den LKWs brauchte. Die Firma drohte mit Vertragsstrafen. Diesen Forderungen gab Mazur ohne weiteres nach. Berichtet die TAZ.

Am Ende machte er eine sehr schlechte Figur. Er behauptet betrogen worden und selbst ein Opfer zu sein. Das nennt man wohl einen schlechten Verlierer und einen miserablen Arbeitgeber.

Was wird jetzt aus den Fahrern? Sie wären nicht so lange bei Mazur geblieben, wenn sie gute Alternativen hätten. Während des Streiks haben sie nichts verdient. Das Geld wird knapp sein. Stehen sie jetzt in Verruf in der Branche? Werden sie noch von Unternehmen genommen?

Trotzdem ist Atema guter Dinge. Er sagt, die Fahrer haben einigen Staub aufgewirbelt und die Branche wachgerüttelt.

 

Fazit

Es war ein wichtiger Streik. Nicht nur die Fahrer haben endlich bekommen, was ihnen zusteht, sondern die Öffentlichkeit ist einmal mehr auf die Thematik aufmerksam gemacht worden.

Gewerkschaften beginnen sich zu organisieren und haben Erfolge, mit denen sie anderen Fahrern in ähnlichen Situationen Mut machen können.

Natürlich können sich ausbeuterische Unternehmen wie Mazur nur halten, wenn sie Aufträge bekommen. Das, was sie bieten, ist eine günstige Lieferung. Zu günstige Lieferungen sollten immer stutzig machen. Da hängt immer jemand in der Kette, der ausgenutzt wird.

 

Was sind eure Erfahrungen zu dem Thema? Teilt sie gerne in den Kommentaren.

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert